Basel: aufstocken statt abreissen

Bei der Überbauung «Im Rheinacker» in Basel, einer Siedlung aus den 1960-Jahren, sind 36 zusätzliche Wohneinheiten entstanden – durch Aufstockung statt Abriss und Ersatzneubau. Ein Verdichtungsprojekt mit Vorbildcharakter.

Artikel mit leichten Anpassungen übernommen von architekturbasel.ch

Die Wohnüberbauung «Im Rheinacker» in direkter Nähe zum Sportzentrum Rankhof und zum Rhein war sanierungsbedürftig. Sie ist ein typischer Zeuge ihrer Zeit, wie es in der Schweiz viele gibt. Da sie aus heutiger Sicht eine geringe bauliche Dichte aufwies, nahm der Kanton Basel-Stadt die 2022 startenden Sanierungsarbeiten zum Anlass, die Wohnüberbauung zu verdichten. Drei der elf bestehenden Gebäudezeilen wurden um jeweils zwei Stockwerke aufgestockt. Damit konnte der Kanton zusätzlich zu den 188 bestehenden Wohnungen 36 preisgünstige 2.5- bis 4.5-Zimmer-Wohnungen schaffen, die im April 2024 bezugsbereit waren. 

Weniger Wohnfläche pro Person 

Die 36 neuen Wohnungen sind Teil des Wohnbauprogramms «1000+», in dessen Rahmen der Kanton bis 2035 über 1000 neue preisgünstige Wohnungen in Eigeninvestition erstellt. Es wird der «Mietvertrag Plus» angewendet: Die Mietenden können die Wohnungen im Vergleich zur Nettomarktmiete um 20 Prozent günstiger mieten, wenn sie unter anderem die Vorgaben zur Belegung (Anzahl Personen pro Wohnung) und zum Einkommen erfüllen. Das heisst konkret: Eine 3,5-Zimmer-Wohnung mit 74 Quadratmeter Wohnfläche kostet knapp 1500 Franken im Monat. Mit diesem Anreiz zur Reduktion der Wohnfläche pro Person leistet das Projekt einen Beitrag zu einem haushälterischen Umgang mit dem Boden. 

Wohnbauten aus den 1960er-Jahren lassen sich sinnvoll erneuern und verdichten.
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Klimaschonendes Weiterbauen im Bestand 

Die zusätzlichen Stockwerke wurden in klimaschonender Elementbauweise aus Holz gebaut. Die Elemente wurden in einer Produktionshalle vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengefügt. Dank des Weiterbauens im Bestand konnte der Kanton zudem auf einen energieintensiven Rückbau verzichten und graue Energie einsparen, weil die bestehenden Baumaterialien im Kreislauf bleiben. Die Gebäude werden nach dem Standard für Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) zertifiziert. 

Ein Zeitzeuge aus den 1960er-Jahren wurde nicht abgerissen, sondern erhielt stattdessen eine Aufstockung und Renovierung. Foto : Florian Inneman, EspaceSuisse

Neuland für den Kanton 

Die 188 bestehenden Wohnungen wurden in bewohntem Zustand saniert. Damit bot der Kanton den Mietenden die Möglichkeit, auf Wunsch unter Gewährung einer Mietzinsreduktion in den Wohnungen zu bleiben. Das entsprach dem Bedürfnis vieler Mietenden – fast alle entschieden sich für einen Verbleib in den Wohnungen. Es ist auch für den Kanton Neuland, ein Sanierungsprojekt mit Aufstockung dieser Grössenordnung in bewohntem Zustand durchzuführen. Dies war eine grosse Herausforderung, und es kam auch zu Fehlern. Die Auswirkungen der Bauarbeiten auf einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner waren massiv. Der Kanton zieht aus dem Bau- und Sanierungsprojekt Lehren für allfällige weitere Vorhaben. So sollen künftig beispielsweise mehr Wohnungen leergelassen werden, die weniger stark von den Bauarbeiten betroffen sind. Diese Wohnungen können sodann den stark betroffenen Mietenden als temporäre Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Der Lernprozess läuft. 

Neue Photovoltaik-Anlagen und Umgebungsarbeiten 

Die Energieversorgung der gesamten Siedlung mit Wärme, Warmwasser und Strom erfolgt neu weitestgehend klimaneutral. Auf allen Dächern der Liegenschaften wurden Photovoltaik-Anlagen installiert. Der damit generierte Strom deckt nicht nur einen grossen Teil des Bedarfs der Mietenden, sondern liefert auch Energie für den Betrieb einer neu erstellten Heizungsanlage mit Grundwasser- Wärmepumpen. Der von der Heizungsanlage erschlossene Wärmeverbund umfasst neben den elf Wohngebäuden auch einen Quartiertreff sowie den nahegelegenen Kindergarten.  

Zudem ist vorgesehen, bis Herbst 2024 auch die Aussenanlagen der Wohnüberbauung aufzuwerten: Es werden unter anderem ökologisch wertvolle Grünflächen angelegt, der Quartierplatz in der Mitte der Anlage umgestaltet, neue Spielflächen für Kinder errichtet sowie zahlreiche Bäume und Sträucher gepflanzt. «Das gewählte Projekt leistet damit einen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas, zur Förderung der Biodiversität und zu einer hohen Lebensqualität aller Bewohnenden», heisst es in der Medienmitteilung des Kantons. Man darf gratulieren: Die Zeichen der Zeit wurden erkannt. Wohnbauten aus den 1960er-Jahren lassen sich sinnvoll erneuern und verdichten. Es bleibt zu hoffen, dass das Beispiel Schule macht. 

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