Gygax-Areal: Landumlegung mit drei Gewinnern

Das Uhrenunternehmen Swatch Group baut in Biel auf dem ehemaligen Gygax-Areal seinen neuen Hauptsitz. Der Repräsentationsbau bildet eine bauliche Brücke zwischen Omega- und Swatch-Gebäuden. Möglich wurde dies durch eine Landumlegung: Weil die Stadt Biel Land auf dem Gygax-Areal besass, konnte sie dieses mit einer anderen Grundbesitzerin abtauschen. Dann verkaufte Biel das eingetauschte Land an die Swatch AG. Die Stadt selbst realisierte am Südrand des Gygax-Areals einen Erholungsraum am Wasser, die «Schüssinsel». Und eine private Investorin konnte eine dichte Überbauung mit dem schönen Namen «Jardin du Paradis» realisieren.
Annemarie Straumann, Journalistin

In den Nullerjahren sah es auf dem Gygax-Areal ganz anders aus: Im Westen, wo die Swatch Group baut, standen leere Gewächshäuser, Überreste einer vormaligen Gärtnerei. Im Osten des Areals, auf Boden der Stadt Biel, gab es Fussball- und Tennisplätze sowie einige Schrebergärten; vor allem aber wucherte Gebüsch entlang der kanalisierten Schüss. Kurzum: Das Gygax-Areal war eine unternutzte Brache – mitten im Siedlungsgebiet.

Win-win-Situation dank aktiver Bodenpolitik der Stadt Biel

Die aktive Bodenpolitik der Stadt Biel bildete die Voraussetzung dafür, dass drei Akteure – die Swatch AG, die Stadt und eine private Investorin – ihre Ziele auf dem Areal verwirklichen konnten.

  1. Die Swatch AG baut ihren spektakulären neuen Hauptsitz auf einem Landstück, das zuvor teils einer anderen Grundeigentümerin (Previs) gehörte. Die Swatch Group kann so ihre Produktionsstätte (Omega) in Biel erweitern und mit dem Neubau verbinden. Rund 250 Arbeitsplätze sind vorgesehen. Der Neubau mit Museum hat das Potenzial zum Touristenmagneten.
  2. Die Stadt Biel konnte einen Stadtpark realisieren: die «Schüssinsel». Ein Naherholungsraum im Herzen der Stadt. Finanziert zur Hälfte durch die Landgeschäfte der Stadt.
  3. Die Vorsorgestiftung Previs konnte an bester Lage eine dichte Siedlung mit dem schönen Namen «Jardin du Paradis» erstellen. Nah an Grünraum und Stadtzentrum, angebunden an den öV.

Weiterer Pluspunkt: Die Bevölkerung der Stadt Biel bestimmte direkt mit, wie sich die Stadt entwickeln soll.

In Biel pflegt man seit Jahrzehnten eine Tradition der aktiven Bodenpolitik: Die Stadt kauft gezielt Land und vergibt es im Baurecht, um besser mitbestimmen zu können, wie sich ihr Territorium entwickelt. Ausnahmsweise verkauft sie auch Land, wie im Fall des Gygax-Areals. Durch ihre aktive Bodenpolitik ist ein Viertel des Gemeindegebiets im Besitz der Stadt. Die aktive Bodenpolitik der Stadt Biel bildete die Voraussetzung für die Renaissance des Gygax-Areals; geschickte Landgeschäfte und Wille zur Zusammenarbeit bildeten weitere Bausteine.

Florence Schmoll, Stadtplanerin Biel
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«Im Grossen und Ganzen blicken wir auf einen gelungenen Planungsprozess zurück.» Florence Schmoll, Biels Stadtplanerin, vor den Plänen für die Schüssinsel.

Stadtplanerin Florence Schmoll war an vielen Planungen der Stadt seit 2006 beteiligt. Wie in allen Grossprojekten habe es schwierige Momente gegeben. «Sie wurden aber überwunden, weil alle – die Stadt, Previs und Swatch – in die gleiche Richtung zogen: Alle wollten etwas auf dem Gygax-Areal realisieren. Die Dynamik kam nie ins Stocken», sagt sie.

Von der Brache zur Stadtinsel

Das zeigt sich in den Jahren 2016 und 2017: Überall wird gleichzeitig gebaut. Die Swatch AG baut an ihrem neuen Repräsentationsgebäude im Westen des Gygax-Areals. Holzbalken werden kreuz und quer emporgezogen. Das Skelett des Neubaus nimmt Balken für Balken Form an. Im Osten des Areals wachsen die 14 drei- bis siebengeschossigen Previs-Wohnbauten in die Höhe. Die Personalvorsorgestiftung Previs realisiert auf dem Gelände 280 Mietwohnungen. Im Süden des Gygax-Areals treibt die Stadt Biel die Renaturierung des Flusses Schüss voran. Erdhaufen türmen sich. Entlang der Schiess liegt eine flache, erdige Landzunge.

Bis 2018 ist aus der Landzuge eine «Stadtinsel» geworden, auch «Schüssinsel» genannt. Sie liegt im Herzen der Stadt, umflossen von der Schüss und vom Wasser des verlängerten Steblerkanals.

In den Nullerjahren sah es auf dem Gygax-Areal ganz anders aus: Im Westen, wo die Swatch Group baut, standen leere Gewächshäuser, Überreste einer vormaligen Gärtnerei. Im Osten des Areals, auf Boden der Stadt Biel, gab es Fussball- und Tennisplätze sowie einige Schrebergärten; vor allem aber wucherte Gebüsch entlang der kanalisierten Schüss. Kurzum: Das Gygax-Areal war eine unternutzte Brache – mitten im Siedlungsgebiet.

Biel Gygax-Areal vor dem Umbau
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Das Gygax-Areal in der Vergangenheit. Sichtbar sind die Gewächshäuser und Tennisplätze.

Für strategische Stadtplanung: Die Zone mit Planungspflicht

Pläne für das Gygax-Areal hatten die Bieler Stadtplaner schon lange im Kopf. «Der Wille, auf dem Gygax-Areal eine Überbauung und einen Park an der Schüss zu realisieren, bestand seit den 1990er Jahren», erinnert sich Stadtplanerin Florence Schmoll. 1999 wurde hierfür der planerische Grundstein gelegt: Die Stadt legte für das Gygax-Areal und die beiden benachbarten Areale Gurzelen und Omega drei Zonen mit Planungspflicht (ZPP) fest. Eine ZPP bedeutet, dass darin nur gebaut werden kann, wenn eine Detailplanung in Form eines rechtskräftigen Sondernutzungsplans vorliegt.

«Die Zone mit Planungspflicht ist ein geniales Planungsinstrument.»
Florence Schmoll, Stadtplanerin

«Die Zone mit Planungspflicht ermöglicht der Gemeinde, in sensiblen Bereichen Grundsätzliches zu definieren», erklärt Schmoll. «Es lassen sich grundsätzliche Nutzungen festlegen, die im Einklang mit den strategischen Zielen der Gemeinde stehen. Zudem sorgt die ZPP für städtebauliche Qualität, weil die bauliche Entwicklung dieser Zone in der Regel ein Wettbewerbsverfahren beinhaltet.»

Jahre später kam dann der Stein ins Rollen. Genauer gesagt, waren es drei:

  • Erstens ein Volksentscheid Ende 2007, der die Verlagerung des nahen Fussballstadions Gurzelen sowie der Sportplätze des Gygax-Areals in einen anderen Stadtteil (Bözingenfeld) vorsah.
  • Zweitens suchte der Uhrenkonzern Swatch Group einen Standort für das neue Hauptquartier der Marke Swatch und bekundete 2008 den Willen, dieses in der Stadt Biel anzusiedeln – am liebsten unweit der Produktionsstätte ihrer anderen Marke Omega.
  • Drittens hatte sich die Personalvorsorgestiftung Previs das Land der ehemaligen Gärtnerei in Gygax-West gesichert und plante dort eine Wohnüberbauung.

Stadt Biel initiierte den Landabtausch

In dieser Situation ergriff die Stadt Biel die Initiative: Es kam zu zwei bedeutenden Landgeschäften. Zum einen erfolgte eine Landumlegung zwischen der Stadt Biel und der Vorsorgestiftung Previs, zum anderen ein Landverkauf an die Swatch Group.

Die Landgeschäfte der Stadt Biel auf dem Gygax-Areal, in 3 Schritten

Landgeschäfte auf dem Gygax-Areal Teil 1 as
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1. Die Ausgangslage:

Swatch Group (blau) besitzt Land westlich des Gygax-Areals. Previs (grün) besitzt auf dem Gygax-Areal Land im Westen; die Stadt (rot) im Osten.
Landgeschäfte auf dem Gygax-Areal Teil 2 as
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2. Umlegung:

Die Landumlegung zw. Biel und Previs im Jahr 2008: Previs (grün) übernimmt Gygax-Ost, die Stadt (rot) erhält Gygax-West. Die Schüssinsel wird abgetrennt und die Nutzungsdichte auf Gygax-Ost zugunsten von Previs erhöht.
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3. Landverkauf:

Die Stadt Biel (rot) verkauft Gygax-West an Swatch (blau). Nun kann Swatch direkt neben ihrem Omega-Areal bauen.

Aus diesen Transaktionen resultierte zunächst ein Buchgewinn von rund 17,5 Millionen Franken zugunsten der Stadt Biel. Da die Transaktionen aber ohne flankierende Massnahmen nicht möglich gewesen wären, wurde ein guter Teil des Gewinns in die flankierenden Massnahmen investiert: etwa in die Verlegung einer Kanalisation und die Umsiedlung des Tennis Clubs Biel. Unter dem Strich blieb der Stadt ein Gewinn von 7,6 Millionen Franken, der für die Gestaltung der «Schüssinsel» verwendet werden konnte.

Um den Swatch-Repräsentationsbau direkt neben Omega zu ermöglichen, war die Landumlegung (2008) nötig: Die Previs willigte ein, ihr Land in Gygax-West an die Stadt Biel abzugeben. Die Stadt ihrerseits überliess der Previs Land in Gygax-Ost (vgl. Grafik oben). Nach diesem Handel besass Previs zwar weniger Land, erhielt aber mehr Bruttogeschossfläche zugestanden (Erhöhung der BGF von 23'000m2 auf 29'700m2). Somit konnte Previs mehr – oder grössere – Wohnungen bauen. Für dieses Zugeständnis zahlte Previs der Stadt zusätzlich einen Millionenbetrag.

Darum stimmte die Wohnungsbauerin Previs dem Landabtausch zu

Dass die Previs diesem Handel mit der Stadt zustimmte, war nicht selbstverständlich. Previs hätte 2008 relativ rasch auf ihrem Grundstück im Westen des Gygax-Areals neben dem Omega-Gelände bauen können. Da schlug ihr die Stadt vor, einer neuen Gesamtplanung für das gesamte Gygax-Areal zuzustimmen, einer Planung, die zudem eine Volksabstimmung beinhaltete. Kein Wunder also, musste die Stadt Überzeugungsarbeit leisten.

Allerdings hatte die Stadt die Swatch Group zur Seite, die das Land neben Omega für ihren Neubau wünschte. Neben dem Gewicht dieser beiden Bieler Akteure dürfte Previs auch die Vorteile erkannt haben: Der öffentliche Park, den die Stadt realisieren wollte, würde die Attraktivität der angrenzenden Previs-Wohnbauten steigern. Durch den Landabtausch erhielt Previs mehr Bruttogeschossfläche. Und die Swatch-Mitarbeiter des geplanten Repräsentationsbaus waren potenzielle Wohnungskunden.

Volksabstimmung

Im Herbst 2008 stimmten Bieler Stimmbürger ab. Sie bewilligten die Teiländerung der Grundordnung, die Landumlegung zwischen Stadt und Previs und den anschliessenden Verkauf von Gygax-West von der Stadt an die Swatch Group.

Der Verkaufsvertrag zwischen Biel und der Swatch enthielt im Übrigen eine Abmachung, wonach der Konzern auf eigene Kosten einen öffentlichen Uferweg vom Omega-Areal hinüber zum Gygax-Areal erstellt.

Gygax-Areal mit Omega-Areal durch Brückenbau verbunden
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Die Brückenkonstruktion zwischen dem Gygax- und dem Omega-Areal der Swatch Group war 2016 bereits sichtbar. Das Strassenstück darunter soll verkehrsberuhigt und in Hayek-Plaza umbenannt werden.
Gygax-Areal in Biel im Umbau 2016
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Das Gygax-Areal in Biel mit dem Fluss Schüss während des Umbaus 2016.

Stadt Biel gewinnt Preise für ihre Gygax-Areal-Planung

Das Projekt der Stadt für die «Schüssinsel» bestand aus zwei Teilprojekten: der Gestaltung einer zusammenhängenden Parkanlage und der Revitalisierung der Schüss. Für die Gestaltung der Schüssinsel bewilligten die Stimmberechtigten an einer Gemeindeabstimmung 2013 einen grosszügigen Kredit. An die Revitalisierung der Schüss und an die neuen Fuss- und Velowege zahlten der Bund, der Kanton und der Ökofonds der BKW und des Energie Service Biel/Bienne ESB namhafte Beiträge.

Die Stadt Biel wurde 2017 gleich mit zwei Preisen für die Umsetzung der «Schüssinsel» ausgezeichnet: Zum einen erhielt sie den Preis «Flâneur d’Or» des Verbands Fussverkehr Schweiz, weil sie mit dem neuen Park das Flanieren am Wasser inmitten eines dicht besiedelten Stadtgebiets ermöglicht habe. Zum anderen gewann Biel den «Goldenen Hasen» der Architekturzeitschrift «Hochparterre» in der Kategorie Landschaft, für den «geschickt eingefädelten Landabtausch», der die grüne Oase ermöglichte.

Die Bieler Bevölkerung kann seit Sommer 2017 über die «Schüssinsel» flanieren. Rund 27 Monate nach dem Start der Bauarbeiten wurde der Park auf der neu gestalteten Schüssinsel im Juni feierlich eingeweiht. Die Schüss schlängelt sich heute durch ihr renaturiertes Flussbeet. Previs bietet Wohnungen an bester Lage an.

Der Repräsentationsbau der Swatch Group, von der Bevölkerung «der Wurm» genannt, dürfte erst 2019 eröffnet werden. Die bauliche Brücke zwischen dem Omega-Areal und dem Gygax-Areal ist allerdings längst gebaut. Darunter soll eine Hayek-Plaza entstehen. Bereits eingeweiht hat die Swatch ihre neuen Produktionsstätten auf dem Omega-Areal.

Gygax-Areal in Biel 2018, Luftaufnahme
Das verwandelte Gygax-Areal in Biel im Jahr 2018. (Foto Stöh Grünig, EspaceSuisse)

Erstpublikation: INFORAUM 3/2016, Magazin für Raumentwicklung (Hrsg: EspaceSuisse). Siehe unten. Die Informationen auf dieser Webpage sind aktualisiert.

INFORAUM 2016_03 Artikel zu Gygax-Areal Landumlegung

Studentenarbeiten zu Biel (BE), Gygax-Areal

Im Herbstsemester 2018 haben Stefania Aquilino, Meret Kaufmann, Viktoria Kuttenberger und Lorena Strub das Beispiel Biel Gygax-Areal neu erzählt und digital inszeniert.

Das Ergebnis ihrer Arbeit sind zwei Kürzestfilme. Das erste Video zeigt den Mehrwert, den die Entwicklung auf dem Gygax-Areal der Bevölkerung gebracht hat. Das zweite Video illustriert, wie der Landabtausch ablief, der die Entwicklung erst möglich machte. Beide Clips sollen die Raumplanung einem jüngeren Publikum zugänglich machen.

Das Semesterprojekt war Teil des Bachelorstudiengangs «Multimedia Production (MMP)» der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur (HTW). EspaceSuisse betreute zwei Gruppen Studierende auf Anfrage des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE. Auf der Plattform «climatescape.ch» sind alle Arbeiten ausgestellt.

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