29. Juni 2018
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6 min
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Annemarie Straumann
Frühere Kommunikationsverantwortliche EspaceSuisse
Innenentwicklung ist wichtig. Damit noch Raum frei bleibt.

Das Fachgebiet «Raumplanung» ist für viele kaum fassbar. Ich arbeite beim Schweizer Raumplanungsverband EspaceSuisse. In meinem Umfeld werde ich oft gefragt, um was es denn bei der Raumplanung geht. Akademikerinnen und Nicht-Akademiker stellen diese Frage gleichermassen. Ich antworte dann: Es geht darum, wie wir Verkehr und Siedlungen – Dörfer und Städte – gestalten. Darum, wo wir bauen und wo eben nicht.

Unsichtbare Raumplanung, sichtbare Folgen

Die Folgen der Raumplanung – oder mangelhafter Raumplanung – sind für alle sichtbar: Unattraktive Strassenräume, eintönige Einfamilienhausquartiere, zersiedelte Landschaften. Diese Folgen sind wohl der Grund dafür, weshalb das Stimmvolk 2013 das revidierte Raumplanungsgesetz (RPG) deutlich angenommen hat: Zu viel «Raum Schweiz» ist seit den 1960er Jahren überbaut und zersiedelt worden. Dafür sind nicht allein die Raumplaner verantwortlich – die Architektur, die Bevölkerungsentwicklung und andere Faktoren haben ebenso einen Anteil daran. Die Raumplanung hat aber die Aufgabe, den groben Rahmen für eine bauliche Entwicklung zu setzen, und dies oft Jahre bevor etwas gebaut wird.

Landschwirtschaftsland verschwindet unter den Siedlungsflächen
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Siedlungsentwicklung nach innen bedeutet: Nicht einfach weiter Landwirtschaftsland in Bauzone umzuwandeln. (Foto: A. Straumann)

Die langen Planungsprozesse sind sicher ein Grund, warum Raumplanung als so abstrakt empfunden wird. Ein zweiter Grund ist die schwierige Kommunikation des noch Abstrakten. Wie erklärt man etwas, das noch nicht besteht, sondern erst geplant wird? Ein dritter Grund dürfte die Fachsprache sein. Ein Beispiel: Raumplanende sprechen zwar von planerischen «Werkzeugen», meinen damit aber weder Schaufel noch Spaten, sondern Verfahren, Prozesse und gesetzliche Bestimmungen.

Raumplanung besser verstehen dank Augmented Reality

Architekten und Architektinnen arbeiten heute bereits mit 3-D-Modellen. Viele Ortsplaner in den Gemeinden beugen sich aber noch über zweidimensionale Pläne. Zum Glück wird die Digitalisierung neue «Werkzeuge» für die Raumplanung bringen, die auch die Kommunikation vereinfachen. Ein simples Beispiel dafür ist diese Website, die mit vielen Fotos, Erklärtexten und künftig auch Videos Raumplanung, und speziell die «Innenentwicklung», fassbar machen will.

Planende werden bald Augmented Reality nutzen können, um reale Landschaften mit den geplanten Siedlungslandschaften zu überblenden. Damit wird es für alle einfacher, sich ein Bild der geplanten Zukunft zu machen. Raumplaner und -Planerinnen werden digitale Daten nutzen, um Personenströme und individuelle Bewegungsmuster von Menschen im Raum zu visualisieren – und um daraus abzuleiten, wo welche Nutzungen am besten zu planen sind. Nämlich dort, wo eine Nachfrage besteht und die natürliche Umgebung passt.

augmented reality
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Die Methoden zur Planung des Innenraums von Häusern könnten bald auch zur Planung des Territoriums eingesetzt werden: Dies ist Augmented Reality.

densipedia.ch, das Wikipedia der Innenentwicklung

Heute geht es vor allem darum, die «Innenentwicklung» bzw. «Siedlungsentwicklung nach innen» zu planen. Dazu brauchen wir zuerst ein gemeinsames Verständnis, was Innenentwicklung eigentlich ist, warum sie Sinn macht, was aber auch die Schwierigkeiten sind. Zu dieser Wissensvermittlung und öffentlichen Debatte will densipedia.ch beitragen.

Innenentwicklung strebt eine möglichst effiziente Nutzung des bestehenden Baugebiets an. Damit soll verhindert werden, dass sich die Siedlungen weiterhin fast ungebremst ausdehnen. Denn Siedlungsentwicklung «nach aussen» frisst nicht nur Land, sie kostet die Gemeinden auch enorm viel.

Dichte am richtigen Ort planen, nicht überall

Aber eben: Siedlungsentwicklung nach innen ist nicht so einfach. Und sie wird von Vorurteilen heimgesucht. Eines davon ist das Schreckgespenst «Dichtestress». Dabei beweist die aktuelle Popularität der Schweizer Städte das Gegenteil: Dichte ist unterhaltsam, farbenfroh, vielfältig, und wird gesucht. Schweizer Dichte ist auch etwas ganz anderes als Tokyoter Dichte. Vielfältige Nutzungen auf wenig Raum wirken in der Regel belebend. Wo es dicht ist, tanzt der Bär! Urbane Qualitäten sind gefragt; Dichte macht sie möglich. Dichte wollen wir aber nicht überall, sondern konzentriert am richtigen Ort.

Zürich, Frau Gerolds Garten Restaurant an den Geleisen
Wo verdichtet wird, braucht es qualitätsvolle Räume. Zum Beispiel ein Restaurant an der Bahnlinie in Zürich West. Foto: A. Straumann

Densipedia.ch erklärt und visualisiert Innenentwicklung. Gezeigt werden «gute Beispiele» aus Schweizer Gemeinden. Diese Beispiele sind nie perfekt; Mängel findet man überall. Aber die Beispiele sind gut genug, um anderen Gemeinden Impulse zur Innenentwicklung zu geben. Es sind Beispiele, bei denen schon ein Ergebnis der Planung vorliegt, und sei es nur ein Teilergebnis wie ein Leitbild.

In diesem «Dichte-Blog» werden Planende von ihren Erfahrungen berichten und hoffentlich zeigen, was Innenentwicklung für sie konkret bedeutet.

In der Rubrik «Wissen & Werkzeuge» wird versucht, Innenentwicklung auch für Nicht-Raumplaner verständlich zu machen. Angesprochen sind vor allem Mitglieder der Gemeinderäte, die ihrerseits Projekte der Bevölkerung verständlich machen müssen.

Für mich ist Innenentwicklung ein richtiges und wichtiges Anliegen. Dichte am richtigen Ort ist erstrebenswert. Dichte braucht es, damit es noch Freiräume gibt.

2 Comments

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Meyrat Francis 5 Jahre 6 Monate

La commun mixte de Rossemaison (2842,Jura) densifie vers l'intérieur avec un plan spécial sur le Copas de sel ainsi qu'une expérience de densification sur une parcelle de 1950m2 dans la zone villa par une démolition d'une villa et la construction de 2 villas dos à dos.
C'est une mise en pratique du dévellopement à l'intérieur du milieu bâti.
Meilleurs messages.

Daniel Laubscher 5 Jahre 1 Monat

Wir unterstützen die Gemeinden der Region Bern-Mittelland bei der qualitätsvollen Umsetzung der planungsrechtlichen Vorgaben des Raumplanungsgesetzes und des Kantonalen Richtplans. Vorab müssen wir die Gemeinden dazu motivieren, die Innenentwicklung als Chance zu sehen und bestehende «Verdichtungsängste» abbauen. Es gilt dabei auch die Bevölkerung und die Gemeinwesen von Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Wie wir dabei gleichzeitig die Baukultur stärken wollen, zeigt das Projekt «Innenentwicklung – Potenziale aktivieren! auf. Ein erster Zwischenbericht über die «lessons learned» kann auf unserer Homepage heruntergeladen werden.
https://www.bernmittelland.ch/de/themen/raumplanung/projekte/innenentwi…