Aus dem einstigen Busdepot wird ein Quartier mit Zentrumsfunktion

Anfang der 2000er-Jahre wich das frühere Depot der Lausanner Verkehrsbetriebe einem multifunktionalen Gebäudekomplex, der sich ideal in die besondere historische Hanglage des Ortes einfügt. Ein Teilnutzungsplan, ein europäischer Architekturwettbewerb und schliesslich ein Bebauungskonzept haben dem Areal ein neues Gesicht verliehen. Vier Genossenschaften bauten hier die Siedlung Les Jardins de Prélaz mit subventionierten Wohnungen. Trotz der verschiedenen Baustile, welche die soziale Durchmischung fördern, bildet das Quartier eine Einheit. Freiflächen, gemeinschaftlich genutzte Räume und Grünanlagen ergänzen sich gegenseitig. Das Areal wirkt als neues Zentrum, das sich zu den Quartieren im Norden und im Süden hin öffnet.

Ausgangslage

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in Prélaz eine grosse Ebene aufgeschüttet, um die Depots und Werkstätten der Lausanner Verkehrsbetriebe (Transports publics de la région lausannoise, TL) unterzubringen. Nachdem die TL entschieden hatten, ihre Anlagen zu verlegen, leitete die Gemeinde Lausanne 1988 ein Verfahren zur Erarbeitung eines Teilnutzungsplans (TNP) ein, um das über 20’000 Quadratmeter grosse Areal neu zu gestalten. Ziel der Stadt und der TL, die eine Aufwertung des Areals anstrebten, war der Bau eines multifunktionalen Komplexes mit Mehrfamilienhäusern und damit die Schaffung eines Zentrums in diesem Quartier. 

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Die Siedlung Les Jardins de Prélaz bewertet von EspaceSuisse nach der Methode «IRAP Kompass Innenentwicklung».

Bewertung

Lage

Das Areal Les Jardins de Prélaz befindet sich im Westen der Stadt Lausanne nahe Prilly und Renens. Es umfasst eine Fläche von rund 2,2 Hektaren zwischen der Avenue de Morges, der Rue Couchirard, dem Chemin de Renens und der Fondation Clémence. Die Avenue de Morges ist eine der Hauptzugangsachsen der Stadt. An dieser Strasse liegt am südöstlichen Rand des Areals eine Haltestelle, die von zwei Buslinien bedient wird. Der Bahnhof Lausanne lässt sich so in rund zehn Minuten, derjenige von Prilly-Malley in acht Minuten erreichen.

In den kommenden Jahren soll zudem eine neue Buslinie mit dichtem Fahrplan eingerichtet werden. In nächster Nähe befinden sich verschiedene Geschäfte und Dienstleister. Ein soziokulturelles Begegnungszentrum sowie eine Primar- und Sekundarschule sind für die Anwohnerinnen und Anwohner zu Fuss gut erreichbar. Im Rahmen der Realisierung des Projekts Les Jardins de Prélaz haben sich auf dem Areal ein Coop, eine Apotheke und die städtische Musikschule angesiedelt.

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Lage der Siedlung Les Jardins de Prélaz.
Quelle: Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Gemeinde

Ende 1988 beschlossen die TL, den Standort Prélaz zu verlassen und ihre Anlage anderswo anzusiedeln. Die Gemeinde lancierte daraufhin ein Verfahren zur Erarbeitung eines TNP, um die künftige Gestaltung des Gebiets festzulegen. Sie nahm auch Verhandlungen über den Erwerb des Areals auf. Letzteres befindet sich an strategisch günstiger Lage zwischen einem Wohngebiet mittlerer Dichte im Norden und einem dichteren, gemischt genutzten Gebiet im Süden. Gemäss TNP sollte ein multifunktionaler Komplex mit Mehrfamilienhäusern und öffentlichen Räumen entstehen. Gleichzeitig wurde eine Verbesserung der Grünraum‑ und Landschaftsqualität des Standorts angestrebt. Das Ziel bestand darin, eine Verbindung zwischen den beiden Wohngebieten und ein neues Zentrum im Quartier zu schaffen.

Kennziffern

  • Einwohnerzahl Lausanne: 146'032 (31.12.2019)
  • Arealgrösse: 24'800 m2
  • Ausnützungsziffer (AZ): 1,43
  • Wohneinheiten (WE): 241
  • Bruttogeschossfläche (BGF): 30’100 m2
  • Anzahl Parkplätze: 300
  • ÖV-Güteklasse: A – sehr gute Erschliessung
  • Gemeindetyp BFS: Kernstadt einer grossen Agglomeration

Parallel zur Ausarbeitung des TNP erhielt die Gemeinde den Zuschlag, den Standort Prélaz im internationalen Architekturwettbewerb Europan 4 einbringen zu können. Dieser findet alle zwei Jahre statt und richtet sich an junge europäische Architektinnen und Architekten. Thema der vierten Ausgabe lautete «Die Stadt über die Stadt bauen – Umwandlung zeitgenössischer Gebiete». Der Entwurf des TNP diente als Arbeitsgrundlage für die Ausarbeitung des Wettbewerbsbeitrags.

Ein multifunktionaler Komplex mit Mehrfamilienhäusern und öffentlichen Räumen konnte entstehen. Foto: F. Pluchinotta, Europan

Prozess

Der Perimeter des TNP umfasste das ehemalige Depot der TL sowie die angrenzenden Strassen, da es auch das Ziel war, die Funktionen der öffentlichen Räume neu zu definieren. Der TNP liess die bauliche Anordnung der Gebäude und die künftige Nutzung des Areals offen. Hingegen legte er städtebauliche Grundsätze fest, wie beispielsweise die Schaffung eines Quartierplatzes und eine biodiversitätsfördernde Umgebungsgestaltung. Der TNP beinhaltete auch bestimmte bauliche Vorgaben, etwa die maximale Bruttogeschossfläche, das Verhältnis der Gebäudehöhen zur Höhe des Terrains oder die Verpflichtung, Parkplätze unterirdisch zu erstellen.

1996 wählte die Schweizer Jury des Wettbewerbs Europan 4 zwei Projekte aus, die anschliessend auf Basis eines Pflichtenhefts gegeneinander in Konkurrenz traten. Im selben Jahr verabschiedete der Gemeinderat den TNP. Eine Kommission, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der TL, der Wohngenossenschaften, des kantonalen Wohnungsamtes und der Gemeinde Lausanne, begleitete den Prozess und sorgte für dafür, dass die Interessen der TL und der Investoren berücksichtigt wurden. Das Siegerprojekt wurde im Juli 1997 bestimmt.

1998 erarbeitete der Wettbewerbsgewinner ein Bebauungs- und Umgebungskonzept. Dieses teilte das Areal in sieben Baubereiche auf. Fünf davon waren für Wohnbauten bestimmt, einer für Gewerbebauten mit Dachgarten. Im siebten Baubereich sollten eine gemeinsame Tiefgarage und der öffentliche Quartierplatz erstellt werden. Während jeder Investor sein eigenes Architekturbüro beauftragte, stellte der Konzeptautor die Gesamtkoordination sicher.

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Im Rahmen der Realisierung des Projekts haben sich auf dem Areal ein Coop, eine Apotheke und die städtische Musikschule angesiedelt. Foto: F. Pluchinotta, Europan
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Die Nachfrage nach Sozialwohnungen und nach einer Kindertagesstätte war gross. Foto: F. Pluchinotta, Europan

Akzeptanz

Ab Juni 1995 wurde das frühere Depot der TL einem alternativen Kollektiv zeitlich begrenzt bis zur Realisierung des Projekts als selbstverwalteter Raum zur Verfügung gestellt. Bei der öffentlichen Auflage des 1996 genehmigten TNP gab es keine Einsprachen. Dennoch musste das Depot im August 2000 von der Polizei geräumt werden, damit das Projekt umgesetzt werden konnte. Die Gemeinde hatte ein starkes Interesse an der Entwicklung des Areals. Die Bevölkerung – bestehend aus Menschen unterschiedlicher Nationalitäten – wuchs und die Nachfrage nach Sozialwohnungen und nach einer Kindertagesstätte war gross. Die Geschäfte, Büros und öffentlichen Einrichtungen, die in den Erdgeschossen des Komplexes entlang der Avenue de Morges untergebracht wurden, hauchten dieser Verkehrsachse zudem neues Leben ein.

Eigentum

Das Areal blieb im Eigentum der TL, da die Gemeinde aus finanziellen Gründen und wegen der baulichen Einschränkungen schliesslich auf den Erwerb verzichtete. Sie lud die TL stattdessen ein, es im Baurecht vier Genossenschaften für den preisgünstigen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Der entsprechende Baurechtsvertrag wurde 1999 unterzeichnet. Ein zweites Baurecht für die Errichtung der gemeinsamen Tiefgarage gewährte die Gemeinde gratis. Der Bereich für Gewerbebauten mit Dachgarten und einem Spielplatz wurde an den Detailhändler Coop verkauft.

Die zahlreichen Begegnungsräume und Gemeinschaftsgärten fördern den Austausch zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern. Foto: S. Veckmans

Wirtschaftlichkeit

Bei der Realisierung ihres Wohnbauprogramms in Prélaz trug die Stadt der effektiven Nachfrage nach subventionierten Wohnungen und dem Mangel an grossen Wohnungen in Lausanne Rechnung. Daneben wurden auch 2- und 3-Zimmerwohnungen für junge Familien oder Rentnerinnen und Rentner eingeplant, um die soziale Durchmischung im Quartier zu fördern. Das Projekt wurde in drei grossen Etappen von 2000 bis 2005 umgesetzt. Das Coop-Einkaufszentrum öffnete seine Türen einige Monate vor der Vermietung der ersten Wohneinheiten.

Dichte

Mit dem Bau von knapp 250 subventionierten Wohnungen konnten sowohl die bauliche Dichte als auch die Nutzungsdichte im Quartier erhöht werden. Mehrheitlich wurden auf dem Areal 3- und 4‑Zimmerwohnungen gebaut, in denen vor allem Familien leben. Der Standort besitzt mit einer Ausnützungsziffer von 1,43 insgesamt eine relativ hohe Dichte.

Neben den Wohnungen finden sich im Quartier auch Geschäfte (Coop, Apotheke), Büros und Dienstleister, die zur funktionalen Dichte beitragen. Die zahlreichen Begegnungsräume (Spiel‑ und Quartierplatz, Fussgängeralleen, Gemeinschaftsgärten) führten auch zu mehr Austausch und somit zu einer höheren sozialen Dichte.

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Urbane Bauten ringsum schirmen das Innere der Bebauung vom Lärm der nahen Strassen ab. Foto: S. Veckmans
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Die Geschäfte, Büros und öffentlichen Einrichtungen in den Erdgeschossen entlang der Avenue de Morges hauchen dieser Verkehrsachse neues Leben ein. Foto: S. Veckmans

Qualität

Les Jardins de Prélaz wurde im Kern als Gartenstadt mit zwei- bis dreistöckigen Häuserzeilen mit Dachbegrünung konzipiert. Dank der Einstellhalle gibt es Platz für gepflasterte, baumgesäumte Fussgängeralleen sowie für gemeinschaftliche und private Gärten. Sie schaffen Raum für Austausch und Begegnungen. Urbane Bauten schirmen den Gebäudekomplex rundherum von den nahen Strassen ab. Sie harmonieren in der Höhe mit den jeweils gegenüberliegenden, Häusern.

Zwischen den Häuserzeilen gibt es ein Netz von Durchgängen, die die Gartenstadt mit dem übrigen Quartier verbinden. Zudem finden sich in der Überbauung Büroflächen, Geschäfte, eine Kindertagesstätte und die städtische Musikschule. Trotz der vielfältigen Typologien, die die sozioökonomische Durchmischung begünstigen, bewahrt das Quartier einen einheitlichen Charakter. Es beherbergt eine heterogene und relativ junge Einwohnerschaft, was mitunter zu Spannungen zwischen verschiedenen Kulturen und Generationen führen kann. Von 2016 bis 2019 sorgte ein Quartiervertrag für einen verstärkten Austausch. Die Interaktionen zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern wurden auch durch die Aktivitäten des nahe gelegenen soziokulturellen Begegnungszentrums gefördert.

Die Siedlung wurde im Kern als Gartenstadt mit zwei- bis dreistöckigen Häuserzeilen mit Dachbegrünung konzipiert. Foto: F. Pluchinotta, Europan

Zusammenfassung

Mit Les Jardins de Prélaz ist es der Stadt Lausanne gelungen, ein Zentrum zu schaffen und einem grösseren Quartier, dessen Teile keinen grossen Bezug zueinander hatten, eine neue Dynamik zu verleihen. Durch den Einsatz von Planungsinstrumenten – dem TPN und einem Bebauungs- und Umgebungskonzept – liessen sich bebaute und unbebaute Räume voneinander abgrenzen. Im Projekt wurde Letzteren ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Ein besonderes Gewicht wurde auf die offenen und gemeinschaftlichen Räume und auf die Begrünung gelegt. In diesem multifunktionalen Komplex finden sich subventionierte Wohnungen, Geschäfte und Dienstleister. Mit seinen vielfältigen Typologien trägt Les Jardins de Prélaz zur sozialen Durchmischung bei.

Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse

  • ­Dank starken städtebaulichen Grundsätzen im TPN, der Durchführung eines Architekturwettbewerbs und der Ausarbeitung eines Bebauungskonzepts konnte ein innovatives Projekt von hoher Qualität realisiert werden, das die historische Substanz des Orts bewahrte.
  • Die Koordination durch den Konzeptautor ermöglichte es, einen einheitlichen Gebäudekomplex zu schaffen, obwohl mehrere Genossenschaften an der Umsetzung beteiligt waren.
  • Die Vielfalt der angebotenen Wohnungen begünstigt die sozioökonomische Durchmischung.
  • Dank der Tiefgarage entstand viel Raum für öffentliche und private, offene und begrünte Flächen.

Weiterführende Informationen

  • 1996. Rapport-préavis n° 177. Plan partiel d’affectation au lieu-dit «Prélaz». Direction des travaux. Ville de Lausanne.
  • 2000. Rapport-préavis n° 154. Direction de la sécurité sociale et de l’environnement. Ville de Lausanne.
  • 2001. Rapport-préavis n° 207. Direction de la sécurité sociale et de l’environnement. Ville de Lausanne.
  • 2002. Bulletin du Conseil communal n° 17. Ville de Lausanne.
  • 2009. Au seuil de l’intimité. Pascal Amphoux. CRESSON. Grenoble.

Stand der Bewertung durch EspaceSuisse: August 2021

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