Neugestaltung des Zentrums: Ortsbildschutz und Begegnungszone

2009 nutzte die Gemeinde Lens die Notwendigkeit, ihre Grundwasserleitungen auszutauschen, um gleichzeitig ihr Dorfzentrum zu revitalisieren. Bei den Tiefbauarbeiten schlug die Gemeinde zwei Fliegen mit einer Klappe, indem sie den Kirchplatz zu einem richtigen Dorfplatz umgestaltete. Die Straße, die das als ISOS-Kulturerbe eingestufte historische Zentrum durchquerte, wurde ebenfalls in eine Begegnungszone umgewandelt, die der sanften Mobilität den Vorrang gibt und die lokalen Geschäfte hervorhebt. So entsteht in Lens eine neue Dorfdynamik.
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Die Aufwertung der Neugestaltung des Ortkerns von Lens bewertet von EspaceSuisse nach der Methode «IRAP Kompass Innenentwicklung».
Der historische Ortskern ist Teil des ISOS (Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz). Foto: S. Veckmans

Ausgangslage 

Lens ist eine ländliche Gemeinde, die durch ihre Lage im Skigebiet von Crans-Montana auch vom Tourismus geprägt wird. An den Hängen zwischen dem Rhonetal und dem Skigebiet gelegen, konnte Lens das Ortsbild seines historischen Kerns erhalten. Entsprechend ist der Ortskern Teil des ISOS (Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz), allerdings ohne die Funktion des tatsächlichen Ortszentrum zu erfüllen.

2009 beschloss die Gemeinde, die sanierungsbedürftigen Wasserleitungen (Abwasser, Sauberwasser, Trinkwasser) wie auch die Strom- und Swisscom-Leitungen zu ersetzen und Gasleitungen zu verlegen. Ferner beschloss sie, die Gelegenheit zu nutzen, um den Ortskern im Zuge dieser Instandsetzungsarbeiten umzugestalten und zu beleben. Konkret betraf dies den unteren Abschnitt der Route d’Icogne, der mitten im historischen Ortskern liegt. Ziel war eine Neugestaltung dieses Bereichs, um den Durchgangsverkehr zu verringern und eine Begegnungszone (Tempo 20) sowie einen echten Dorfplatz zu schaffen. Die Gemeinde beschloss, ein Architekturbüro mit der Erarbeitung eines qualitativ hochwertigen Projekts zu beauftragen, das den Merkmalen des Standorts gerecht wird.

Kennziffern

  • Einwohnerzahl von Lens: 4’200 (2018)

  • Zeitraum der Arbeiten: 2010 bis 2013

  • Arealgrösse: 21’000 m2

  • Investitionskosten insgesamt: 7,85 Mio. Franken

  • ÖV-Güteklasse: D – geringe Erschliessung

  • Gemeindetyp BFS: Ländliche periphere Tourismusgemeinde

Bewertung

Lage

Lens, Ortsteil und Hauptort der gleichnamigen Gemeinde, am Hang des Rhonetals, circa fünfzehn Kilometer nordöstlich von Sitten. Lens befindet sich im unteren Teil der stark vom Tourismus geprägten Gemeinde, deren nördlicher Teil zum Skigebiet von Crans-Montana gehört. Von Sitten aus ist der Ort per Auto oder per Bus in etwa dreissig Minuten erreichbar; von Siders aus in etwa zwanzig. Die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr ist allerdings gering. Derzeit gibt es Überlegungen, Lens über den Bau einer Seilbahn zum alten Bahnhof von Granges besser mit dem Tal zu verbinden.

Die Begegnungszone im historischen Ortskern von Lens hat es ermöglicht, das Zentrum zu beleben, indem der Durchgangsverkehr auf diesem Abschnitt der Route d’Icogne verringert und ein neuer Dorfplatz geschaffen wurde. Im verkehrsberuhigten Abschnitt befinden sich auch das Gemeindehaus, eine Poststelle (vor der sich die Bushaltestelle befindet), eine Bankfiliale und zwei Restaurants. Ferner gibt es im Ortszentrum eine Bäckerei, eine Metzgerei, eine Apotheke, ein drittes Café-Restaurant und ein Lebensmittelgeschäft. Das Café-Restaurant und das Lebensmittelgeschäft werden demnächst in ein kleines, sich im Bau befindliches Einkaufszentrum an der Hauptstrasse umziehen. Die Primarschule und die Fondation Opale, ein Kunstzentrum für zeitgenössische und Aborigine-Kunst, befinden sich ebenfalls in der Nähe.

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Lage des Ortkerns Lens. Quelle: Bundesamt für Landestopographie swisstopo

Gemeinde

Die Gemeinde plante im Zuge der Instandsetzung der unterirdischen Leitungen auch eine qualitativ hochwertige Umgestaltung des öffentlichen Raums, wo die Route d’Icogne in die Hauptstrasse mündet. Da es in Lens keinen richtigen Dorfplatz gab, nutzte die Gemeinde diese Gelegenheit für eine echte Belebung des zum grossen Teil dem ISOS zugewiesenen Ortskerns. Dabei trug sie dem bemerkenswert gut erhaltenen historischen Erbe Rechnung.

Da das Projekt noch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des revidierten Raumplanungsgesetzes (RPG) stammte, verfügte die Gemeinde noch über keine Strategie zur Innenentwicklung. Ohnehin war der Ortskern bereits sehr dicht bebaut. Allerdings massen die kommunalen Behörden der Wahrung des Ortsbilds eine grosse Bedeutung bei. 1998 klärten sie Schutzwürdigkeit aller Gebäude des Ortes ab und erliessen Vorschriften zu deren Erhaltung und Instandsetzung. Im Ortsteil «Vieux village» können zudem Subventionen gewährt werden, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Dächer mit Naturschiefer gedeckt werden.

Eigentum

Der Projektperimeter umfasste die durch das Ortszentrum führende Gemeindestrasse (Route d’Icogne) und die Hauptstrasse, bei der es sich um eine Kantonsstrasse handelt. Das Projekt betraf somit grösstenteils öffentlichen Grund, was die Durchführung der Arbeiten erleichterte. Obgleich die Neugestaltung den öffentlichen Raum bis zu den Fassenden einiger Privatgebäude umfasste, waren kaum Enteignungen nötig. Die Kosten im Zusammenhang mit privaten Flächen wurden zur Hälfte von der Gemeinde und zur Hälfte von den Privateigentümern getragen. 

Auf Höhe der Bäckerei verengte sich die Hauptstrasse aufgrund der historischen Bebauung, weshalb der Kanton angesichts des Sicherheitsrisikos zustimmte, die Geschwindigkeit auf diesem Abschnitt der Kantonsstrasse auf Tempo 30 zu beschränken. Später verlegte die Bäckerei ihre Eingangstür weg von der Strasse auf die Seite, was die Sicherheit für den Fussverkehr an dieser Stelle weiter verbesserte.

Für die Begegnungszone im Zentrum des Ortes wurde ein Strassenbelag in einheitlicher Farbe gewählt, der sich bis auf das Trottoir und entlang der Hauptstrasse erstreckt. So schafft er eine Verbindung zwischen dem historischen Zentrum und dem zweiten, eher von Geschäften geprägten Zentrum. Foto: S. Veckmans

Prozess

Da ursprünglich nur technische Arbeiten zur Erneuerung der Wasserleitungen geplant waren, war die Bevölkerung nicht massgeblich in die Projektentwicklung einbezogen worden. Die Gemeinde nutzte die Gelegenheit dennoch, um die Bauarbeiten mit einer qualitativ hochwertigen Neugestaltung des historischen Zentrums zu verbinden. Hierfür beauftragte sie ein Architekturbüro, dessen Projekt im Dezember 2009 erstmals der Gemeindeversammlung vorgelegt wurde.

Für einige kleinere Reibungspunkte fanden sich in diesem Rahmen einvernehmliche Lösungen. Die Gemeinde ging auf Anmerkungen der Bevölkerung ein passte das Projekt mehrmals den Anträgen an. Da der Bereich als ISOS-Zone eingestuft war, gab auch die Dienststelle für Immobilien und Bauliches Erbe des Kantons Wallis eine Stellungnahme zum endgültigen Projektentwurf ab. Und liess die in der Begegnungszone vorgesehenen Granit-Randsteine aus dem Entwurf streichen, da sie diese für nicht geeignet hielt. Die Bauarbeiten erfolgten von 2010 bis 2012 in drei Etappen, um die Einschränkungen für die Geschäfte vor Ort so gering wie möglich zu halten.

Akzeptanz

Ziel der Gemeinde war es, einen Abschnitt der Route d’Icogne umzugestalten, um das Zentrum möglichst autofrei zu halten, den Durchgangsverkehr zu verringern und einen neuen Dorfplatz zu schaffen. Während der Projektierungsphase präsentierte die Gemeinde die verschiedenen zur Auswahl stehenden Materialien für den Strassenbelag an diversen Ausstellungen. Die Bevölkerung konnte also mitreden und in gestalterischen Fragen mitentscheiden, wodurch sie sich mit dem Projekt identifizieren konnte.

Dass im Zuge der Umgestaltung dann zahlreiche Parkplätze im Zentrum wegfielen, stiess auf keinen nennenswerten Widerstand. Bereits vor der Neugestaltung des Ortskerns hatte die Gemeinde in den 80er-Jahren drei kleine Parkings mit je 25 Parkplätzen ausserhalb des Ortskerns erstellen lassen. Ausserdem wurden die nun weggefallenen Parkplätze durch Terrassen ersetzt – und Parkierungsmöglichkeiten bestehen nach wie vor an beiden Enden des umgestalteten Strassenabschnitts. Ferner soll an der Hauptstrasse ein neues kleines Einkaufszentrum erstellt werden. Für Kunden entstehen in diesem Rahmen 10 Parkplätzen hinter dem Gebäude, während in einer Tiefgarage dreissig weitere Parkplätze vorgesehen sind, von denen 20 an die Einwohner des historischen Zentrums verkauft werden sollen, um das Parkierungsangebot im Zentrum zu verbessern.

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Um eine Einheitlichkeit und Identität zu schaffen, gab die Gemeinde für sämtliche bewirtschafteten Aussenbereiche die Nutzung einheitlicher weisser Sonnenschirme und des Logos «Vivre l’instant» («Im Moment leben») vertraglich vor. Foto: S. Veckmans
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Bäume, Blumenkästen und Holzbänke bereichern den öffentlichen Raum, und die Steinbrunnen sind renoviert worden. Foto: S. Veckmans

Dichte

Das Projekt sah zunächst nur die Erneuerung der unterirdischen Leitungen vor. Sinnvollerweise entschied man sich bald, diese Arbeiten mit Massnahmen zu erweitern, um den historischen Ortskern umzugestalten und den Durchgangsverkehr zu verringern. Dieses im ISOS aufgeführte Ortszentrum wies bereits eine hohe bauliche Dichte, die nicht weiter erhöht wurde. Die qualitative Aufwertung des öffentlichen Raums hatte jedoch Auswirkungen auf die Nutzerdichte: Mehrere Privateigentümer nahmen sie zum Anlass, ihre Häuser zu renovieren, wodurch neue Wohnungen im Bestand dazukamen.

Die Umgestaltung verbesserte ausserdem den Zugang zum Ortszentrum, der nun ersichtlicher ist und vermehrt Besucherinnen und Besucher der Fondation Opale ins Zentrum lockt.

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Die Bäckerei verlegte ihre Eingangstür weg von der Strasse auf die Seite, was die Sicherheit für den Fussverkehr an dieser Stelle verbesserte.
Foto: S. Veckmans

Qualität

Für die Begegnungszone im Zentrum des Ortes wurde ein Strassenbelag in einheitlicher Farbe gewählt, der sich bis auf das Trottoir und entlang der Hauptstrasse erstreckt. So schafft er eine Verbindung zwischen dem historischen Zentrum mit der Kirche, der Verwaltung und verschiedenen Restaurants und dem zweiten, eher von Geschäften geprägten Zentrum. Der gewählte Strassenbelag hebt die unterschiedlichen öffentlichen Räume hervor und hilft, ihre Nutzungszwecke zu verdeutlichen. Besonderer Vorzug erhält dabei der Langsamverkehr.

Während der Arbeiten musste die alte Linde an der Kreuzung zwischen der Route d’Icogne und der Hauptstrasse aufgrund ihres schlechten Zustands gefällt werden. Dafür schmücken einige neue Bäume, Blumenkästen und Holzbänke den öffentlichen Raum. Darüber hinaus wurden die drei Steinbrunnen renoviert und die Strassenbeleuchtung modernisiert und die Beschilderung der öffentlichen Gebäude erneuert.

Der abschüssige Kirchplatz wurde aufgeschüttet und umgestaltet. Den neu ebenen Platz nutzen die Restaurants, um ihre Gäste draussen zu bewirtschaften, was dem Ortskern eine neue Lebendigkeit verliehen hat. Um eine Einheitlichkeit und Identität zu schaffen, gab die Gemeinde für sämtliche bewirtschafteten Aussenbereiche die Nutzung einheitlicher weisser Sonnenschirme und des Logos «Vivre l’instant» («Im Moment leben») vertraglich vor. Letztlich wertete das Projekt das gesamte Ortsbild auf, denn die Umgestaltung hatte – neben mehr Qualität für den öffentlichem Raum – eine «Erneuerungsdynamik» zur Folge. In deren Zuge renovierten mehrere private Grundeigentümer ihre historischen Liegenschaften.

Wirtschaftlichkeit

Sämtliche Arbeiten (Austausch der Wasserleitungen, bauliche Massnahmen, Mobiliar und Schilder, neue Strassenbeleuchtung) haben die Gemeinde circa 7,85 Millionen Franken gekostet. Dieser Betrag mag hoch erscheinen, aber die Gemeinde hat die Mittel in die Hand genommen, um eine qualitativ hochwertige Umgestaltung zu gewährleisten.

Darüber hinaus hatten diese öffentlichen Investitionen auch einen privatwirtschaftlichen Nutzen: Mehrere private Grundeigentümer liessen ihre Liegenschaften entlang der umgestalteten Achsen renovieren. Weiter hatte das Projekt auch positive Auswirkungen auf die Geschäfte, insbesondere auf die Restaurants, die durch die neuen Aussenbereiche an Attraktivität gewonnen haben.

Die Revitalisierungsarbeiten lösten einen Erneuerungsschub aus, in dessen Folge mehrere alte Privatgebäude saniert wurden. Foto: S. Veckmans

Zusammenfassung

Als die Gemeinde in der Ortschaft Lens neue unterirdische Leitungen verlegen lassen musste, hat sie diese Gelegenheit zu einer qualitativ hochwertigen Umgestaltung und einer Belebung des historischen Zentrums genutzt, dessen historische Substanz zudem sehr gut erhalten war. Die Ortsdurchfahrt wurde in eine Begegnungszone umgewandelt, die den Langsamverkehr priorisiert und den Durchgangsverkehr reduziert.

Durch die Neugestaltung des Kirchplatzes entstand ein echter Dorfplatz, auf dem die beiden Restaurants Gäste nun auch im Freien bewirtschaften können, was für eine ganz neue Lebendigkeit gesorgt hat.

Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse

  • Die Gemeinde nutze die Gelegenheit technischer Erneuerungsabreiten zur Neugestaltung des öffentlichen Raums und zur Schaffung eines echten Dorfplatzes.
  • Das historische Zentrum des Ortes wurde aufgewertet, die Ortsdurchfahrt vom zuvor regen Durchgangsverkehr befreit und zur Begegnungszone umfunktioniert.
  • Die Gemeinde hat den öffentlichen Raum so umgestaltet und so das lokale Gewerbe unterstützt, indem ihm neu mehr Platz und trotzdem genügend Parkplätze zur Verfügung stehen.

Weiterführende Informationen

  • 2009. Vorlage des Projekts für die Gestaltung des Zentrums von Lens bei der Gemeindeversammlung. Gemeinde Lens.
  • 2012. Bericht über die öffentliche Vorstellung des Projekts. Nomad architectes valais sàrl. Lens.

Stand der Bewertung durch EspaceSuisse: September 2020

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