Herausforderungen und Verstetigung

Zwischennutzungen sind eine Methode, um mit Leerständen konstruktiv umzugehen. Doch haftet Leerständen oft ein Stigma des Makels an. Sie bedeuten ein Eingeständnis, dass die Bewirtschaftung einer Liegenschaft mit den gängigen Regeln der Branche nicht erfolgreich war. Das erzeugt Unsicherheit, auch hinsichtlich einer Zwischennutzung. Nachfolgend werden solche Hürden benannt, passende Lösungsvorschläge, aber auch Erfolgsfaktoren aufgezeigt.

Bekannte Einwände von Eigentümern gegen eine Zwischennutzung sind:

1. Die Befürchtung: «Die bringt man ja doch nie weg!»

Es besteht die Furcht, dass Zwischennutzende nicht mehr ausziehen wollen. Die Analyse solcher Fälle zeigt, dass oft unbedacht unbefristete Mietverträge abgeschlossen wurden. Als Abhilfe gegen unerwünschte Dauernutzungen sind befristete Verträge abzuschliessen. Oder man weicht auf Gebrauchsleihverträge aus, welche nicht dem Mietrecht unterstehen, dann allerdings auch keine Erträge einbringen. In jedem Fall sind die Fristen deutlich zu kommunizieren. (Details im Leitfaden Zwischennutzung).

2. Unübersichtliche Untervermietungen

Vielfach sind Untervermietungen ohne Regelung erfolgt. Dies hatte zur Folge, dass mehrere Stufen von Untervermietungen auftraten, wodurch sich der Mietermix unerwünscht veränderte, oder dass bei Untervermietungen höhere Mietzinse verlangt wurden und der Vermieter einen finanziellen Nachteil erlitt. Die Lösung lautet hier: Die Regeln müssen bei einer Untervermietung klar kommuniziert und eingehalten werden, insbesondere die Informationspflicht des Mieters bei einer Untervermietung und die Offenlegungspflicht des Untermietvertrages. (Details im Leitfaden Zwischennutzung).

3. Aufteilung der Nebenkosten

Bei zwischengenutzten Liegenschaften, v.a. bei grossen Objekten, besteht oft die Situation, dass bisher ein Nutzer die Nebenkosten zu tragen hatte, neu aber mehrere Parteien diese Kosten teilen sollen. Meist fehlen dann technische Vorrichtungen für eine individuelle Verbrauchserhebung (v.a. Elektrizität und Wärme), und der  Einbau von Geräten zur individuellen Verbrauchserhebung  wird als zu teuer eingeschätzt. Es fehlen zudem die Erfahrungswerte, um den Verbrauch der neuen Nutzungen abzuschätzen. Im Extremfall bleiben die Nebenkosten beim Vermieter hängen.

Abhilfe kann man hier schaffen, indem man alternative Abrechnungsmodelle einführt, zum Beispiel eine Pauschale, jeweils verbunden mit einer Klausel, dass sie nach der ersten Abrechnungsperiode anzupassen ist. Beim Strom kann auch eine Verbrauchsschätzung für unterschiedliche Nutzungstypen durch eine Fachperson vorgenommen werden.

4. Schwieriges Raumangebot

Nicht alle Räume eines Leerstandsobjektes eignen sich gleichermassen für eine Zwischennutzung, aber für jeden Raum kann eine Zwischennutzung gefunden werden. Entscheidend ist es, die lokalen oder regionalen Netzwerke nach ihren Bedürfnissen zu fragen. Insbesondere in ländlichen Gebieten ist zu empfehlen, die Raumbedürfnisse nicht nur lokal, sondern regional abzuklären. (Details im Leitfaden Zwischennutzung). Unter Umständen sind auch bauliche Massnahmen erforderlich (z.B. Trennwände), um Räume besser nutzen zu können (z.B. Kammgarn-West in Schaffhausen).

Schaffhausen_Kammgarn-West
Caption
Plandarstellung der Umbaumassnahmen zur Nutzbarmachung der ersten Etage der Liegenschaft Kammgarn-West in Schaffhausen.
Gelb: Abbruch,
Rot: neu
(Plan: Hofer & Kick Architekten).

5. Abfall und sekundärer Vandalismus

Eigentlich dient Zwischennutzung der Arealpflege und der Vermeidung von Vandalismus und Littering. Allerdings sind Sprayereien kaum zu verhindern, denn sie dienen der Selbstdarstellung gewisser Kreise. Dagegen gibt es keine Lösung, doch sind die Schäden grundsätzlich geringer als bei Leerstand.  Man kann das Sprayen auch neu interpretieren, die Werke als Street Art verstehen und sie entsprechend kommunizieren oder gar fördern.

Littering entsteht teilweise als Folge der neuen Nutzungen. Da das Prinzip gilt, wo Abfall liegt, kommt mehr dazu, ist eine rasche Säuberung wichtig. Es gilt, ein Reinigungskonzept mit allen Stakeholdern zu planen und umzusetzen. Dabei sind Ausführende zu beauftragen, welche eine Verbundenheit zum Ort mitbringen. Das nt/areal Basel entwickelte mit der Stadt und den Eigentümern ein Reinigungskonzept mit einer arealeigenen Putzmaschine. Diese wurde von einem DJ bedient, einer Person also, die vor Ort Respekt genoss.

6. Delikate Bewilligungsverfahren

Zwischennutzungen machen nur einen Bruchteil der Bewilligungen in einer Gemeinde aus. Daher bestehen in den meisten Gemeinden und Kantonen keine spezifischen Rechtsgrundlagen für solche Bewilligungen. Vielerorts kommen Ausnahmeregelungen oder provisorische Bewilligungen zur Anwendung, doch sind diese nicht selten von der Tagesform der zuständigen Person abhängig und erzeugen eine gewisse Abhängigkeit. Manchmal besteht auch gar keine Rechtsgrundlage.

Zu berücksichtigen sind die Zonenkonformität einer Zwischennutzung und die Anforderungen aufgrund von Spezialgesetzgebungen (u.a. Energie, Brandschutz, Lärm, Gastronomie, Gewässerschutz oder Behindertengerechtigkeit). Als förderlicher Grundsatz gilt: Ziehen Sie die kommunale Verwaltung frühzeitig in die Planung einer Zwischennutzung ein und machen Sie das öffentliche Interesse daran geltend. Denn es gibt Ermessenspielräume, um für oder gegen eine Zwischennutzung zu entscheiden. Mehr zum Thema Bewilligungen unter «Praktisches für Stadt und Land».

Basel nt Areal, DJ auf Putzmaschine
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Basel, nt Areal: Arealeigene Putzmaschine mit DJ als Chauffeur und Abfallranger. (Foto: Andrea Blattner)

Fazit: Hürden und Lösungen bei Zwischennutzungen

Die meisten problematischen Situationen bei Zwischennutzungen haben ihren Gründe in unzweckmässigen Verträgen, ungenügender Steuerung, und fehlenden Kontrollmechanismen. Sie sind als Herausforderungen zu verstehen, für die es probate Lösungsansätze gibt. Was die Bewilligungsproblematik betrifft, so hat sich in den letzten Jahren das Bewusstsein geändert. Heute findet man bei Verwaltungen tendenziell mehr Verständnis für die Anliegen der Zwischennutzung. Dennoch besteht mancherorts politischer Handlungsbedarf.

Tendenz zur Verstetigung

Der Begriff Verstetigung bezeichnet einen Prozess, der zu einer dauerhaften Existenz von etwas führt. Bei Zwischennutzungen bedeutet dies, dass sie länger dauern als ursprünglich gedacht oder dass sich einst temporär gedachte Projekte zu regulären Umnutzungen wandeln.

Zwischennutzungen verstetigen sich nicht von selber, sondern, weil entweder die Eigentümer oder die darin tätigen Akteure oder interessierte Bevölkerungskreise aktiv werden. Manchmal setzt sich sogar die Gemeinde für Verstetigung ein. Die Gründe für Verstetigung sind vielfältig:

  1. Entwicklungsidee: Es ist von Beginn an eine Umnutzung beabsichtigt, die mit einer Zwischennutzung ausprobiert werden soll. Beispiele: Aktienmühle Basel, Rathaus Lichtensteig.
     
  2. Gesinnungswandel: Es kann sein, dass der Eigentümer selber seine ursprünglichen Entwicklungsabsichten mit Abbruch und Neubau oder mit Totalsanierung aufgibt. Gründe hierfür können sein, dass ihm finanzielle Mittel oder Ideen fehlen, die Planungsprozess länger dauern, er vom Effekt und der Ausstrahlung der Zwischennutzung überzeugt wurde und auch die immobilienökonomische Rechnung aufgeht. Beispiel Merker-Areal Baden.
     
  3. Widerstand: Die Nutzenden oder die Öffentlichkeit können sich einer Umnutzung widersetzen. Zum Beispiel, weil Nutzende die günstigen Mietkonditionen nicht aufgeben wollen oder weil durch die Zwischennutzung ein Mehrwert für die Zivilgesellschaft entstanden ist. Möglich ist auch, dass eine geplante Umnutzung von den Stakeholdern nicht mitgetragen wird. Solche Entwicklungen sind meist kombiniert mit einer demokratischen Ausmarchung, also einer Volksabstimmung über planerische Instrumente oder Kredite. Beispiele: Hanro Liestal, PROGR Bern, Alte Bürstenfabrik Oberentfelden.
     
  4. Aushandlung: Gemeinde und Nutzende sind vom Mehrwert einer Zwischennutzung derart überzeugt, dass sie zusammenfinden und mit der Eigentümerschaft über einen Entwicklungsverzicht und Verkauf verhandeln und dies arrangieren. Beispiel: Lagerplatz Winterthur.

Vielfach sind die Einzelheiten der Entwicklungspfade 1 bis 4 miteinander vermischt.

Wo sich Zwischennutzungen in der Schweiz verstetigt haben, ist dies für alle Seiten, wenn auch nicht reibungslos, so doch befriedigend verlaufen. Selbst wenn die Eigentümerschaft ursprünglich eine andere Entwicklungsvorstellung hatte.

Widerstand gegen Transformation

Allfälliger Widerstand gegen eine Transformation eines zwischengenutzten Leerstandsobjektes lässt sich noch genauer erklären: Widerstand erzeugt eine Transformation dann, wenn sie bedrohlich für die Zivilgesellschaft wirkt. Dies ist der Fall, wenn eine Umnutzung einen Tabula Rasa-Charakter hat, wenn sie auf einer reinen Verwertungslogik basiert, wenn die mit einer Zwischennutzung erreichten Mehrwerte verloren gehen würden, wenn die Ortsqualität verschwindet, wenn die Projektentwicklung diesen Mehrwert nicht würdigt oder herabmindert. Daraus ergeben sich für Projektentwickler folgende Empfehlungen:

  • Lokale Befindlichkeiten und Bedürfnisse bei der Projektentwicklung berücksichtigen
  • Mehrwerte erhalten.
  • Erreichte Qualitäten sorgfältig und ernsthaft in Umnutzungsprojekt integrieren.
  • Entwicklungskonzept anpassen und im Notfall das Objekt verkaufe.

Fazit: Verstetigung von Zwischennutzungen

Man kann den Erfolg einer Zwischennutzung positiv nutzen, indem man flexibel auf prozessuale Entwicklung umstellt. Diese Erkenntnis ermöglicht, die Zwischennutzung proaktiv als informelles Planungsinstrument einzusetzen. Bei grösseren Arealen bietet sich die Chance, nach der Devise «Best-of-two-worlds» zu handeln:

1. Erhaltenswertes erhalten, und

2. erneuern, wenn das Potenzial für eine Entwicklung im Bestand fehlt.