Dank Innenentwicklung zum qualitätsvollen Quartierzentrum

In Hergiswil entsteht an der Seestrasse das neue Quartierzentrum Wylpark. Das durchdachte Projekt fusst auf einer Reihe von Planungsschritten, die die Gemeinde in den letzten sechs Jahren durchlaufen hat. Am Anfang standen unterschiedliche Bauvorhaben entlang der Seestrasse und im Dorfzentrum. Die unkoordinierten Projektideen warfen strategische Fragen zur räumlichen Entwicklung des Ortskerns auf. Gut, dass die Gemeinde daran war, ein Leitbild und einen Masterplan für die Seestrasse zu erarbeiten.
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Das Wylpark bewertet durch EspaceSuisse nach der Methode «IRAP Kompass Innenentwicklung».
Der Wylpark wird dereinst aus Miet- und Eigentumswohnungen, einem halböffentlichen Quartierplatz, einer Migros-Filiale, weiteren Läden sowie einer Einstellhalle mit 140 Parkplätzen bestehen. Quelle: DINA Immobilien AG

Ausgangslage

Die Seestrasse ist die Hauptdurchfahrtsachse Hergiswils. Sie führt am Vierwaldstättersee entlang durch die nördlichen Wohnquartiere und verbindet diese mit dem Bahnhof und dem historischen Dorfkern. Die gute Verkehrs- und Wohnlage an der Seestrasse macht die angrenzenden Grundstücke und Liegenschaften zu interessanten Objekten für die Siedlungsentwicklung nach innen.

Seit rund zehn Jahren sehen sich die Behörden mit einer wachsenden Zahl von Projektideen und Bauabsichten entlang der Seestrasse und im Dorfzentrum konfrontiert. Die Frage, welche Auswirkungen deren Realisierung auf den Verkehr oder das Ortsbild haben würde, sollte aus einer übergeordneten Gesamtsicht beantwortet werden. Von 2011 bis 2013 erneuerte der Gemeinderat deshalb gemeinsam mit der Bevölkerung das in die Jahre gekommene Siedlungsleitbild von 2000. Das neue Leitbild wurde vom Regierungsrat des Kantons Nidwalden genehmigt. Diesen Schritt machte das Leitbild zum kommunalen Richtplan und damit verbindlich für die Behörden.

Parallel zum Leitbild und in enger Abstimmung dazu erarbeitete ein externes interdisziplinäres Projektteam den Masterplan Zentrum - Seestrasse mit konkreten Überlegungen zu den Nutzungen und zur Bebauung entlang der Seestrasse. Mit den beiden Instrumenten verfügte der Gemeinderat über die nötigen Werkzeuge, um die verschiedenen Projekte im Dorfkern zu koordinieren und deren Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen zu können.

Im Perimeter der neuen Planungsinstrumente liegt auch das Wylquartier. Dort beabsichtigten ein Immobilienentwickler und ein weiterer Grundeigentümer, mehrere Ersatzwohnbauten für die dort stehenden Häuser zu erstellen. Auf insgesamt vier Parzellen am Übergang von der Zentrums- zur Kernzone sollte der Wylpark entstehen.

Kennziffern

  • Einwohnerzahl Ortschaft Hergiswil: 5’781 (2018)
  • Arealgrösse: 4’814 m2
  • Investitionskosten: ca. 65 Mio. CHF
  • Ausnützungsziffer AZ: 1,22
  • Wohneinheiten WE: 51
  • Arbeitsplatzpotenzial: ca. 40 Beschäftigte
  • Einwohnerpotenzial: ca. 100 Personen
  • Bruttogeschossfläche BGF: 5872,5 m2
  • ÖV-Güteklasse: C – mittelmässige Erschliessung
  • Gemeindetyp BFS: Periurbane Gemeinde mittlerer Dichte

Bewertung

Lage

Hergiswil liegt im Kanton Nidwalden, umgeben von Pilatus, Lopper und Vierwaldstättersee. Die Gemeinde ist dank der Autobahn A2 für den Individualverkehr hervorragend erreichbar. Dasselbe gilt für den Wylpark, der an der Seetalstrasse (Ortsdurchfahrt) liegt. Nur mittelmässig gut ist der Wylpark an den öffentlichen Verkehr angebunden, denn die nächste Haltestelle – der Bahnhof – liegt rund 500 Meter entfernt. Die Fahrt mit dem Zug nach Luzern dauert fünfzehn Minuten; mit dem Auto sind je nach Verkehr zwanzig oder mehr Minuten einzukalkulieren.

Für die tägliche Versorgung ist der zukünftige Wylpark ideal, denn im Erdgeschoss wird Platz geschaffen für die neue Migros sowie für weitere Geschäfte. Auch die Schulen sind in Fussdistanz erreichbar.

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Lage des Wylparks in Hergiswil.
Quelle: Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Eigentum

Das Areal des Wylparks bestand ursprünglich aus zehn Parzellen mit acht unterschiedlichen Eigentümern. Zwei von ihnen beabsichtigten, auf ihren vier Parzellen gemeinsam mehrere Ersatzwohnbauten zu erstellen.

Weil der eingangs erwähnte Masterplan für dieses Entwicklungsgebiet eine Konzentration von Einkaufs- und Dienstleistungsnutzungen vorsah, interessierte sich aber auch die Migros für diesen Standort. Sie überzeugte die zwei Bauwilligen, das Vorhaben auf die benachbarten sechs Parzellen auszuweiten und statt einer reinen Wohnnutzung ein neues gemischtes Quartierzentrum zu erstellen. Dazu mussten die übrigen sechs Grundeigentümer an Bord geholt werden. Diese standen der Idee eines Quartierzentrums positiv gegenüber. Sie gewährten den Projektverantwortlichen die Planungsvollmacht über ihre Parzellen und räumten ihnen ein Kaufrecht ein. Letzteres lösten die Projektverantwortlichen Ende 2018 ein und erwarben die sechs Parzellen. Heute, in der Umsetzungsphase, sind noch zwei Eigentümer am Wylpark beteiligt.

Im publikumsorientierten Sockelgeschoss wird sich die Migros als Ankermieterin einrichten. Darüber dürften sich die vier übrigen Geschäfte im Erdgeschoss freuen. Quelle: DINA Immobilien AG

Gemeinde

Die Gemeinde Hergiswil hatte sich schon vor der Entwicklung des Wylparks intensiv mit ihrer räumlichen Entwicklung auseinandergesetzt. 2013 beschloss der Gemeinderat das neue Siedlungsleitbild und den Masterplan Hergiswil Zentrum - Seestrasse.

Die Instrumente halfen der Gemeinde, den Projektentwicklern des Wylparks die Rahmenbedingungen sachlich aufzuzeigen. Positiv wirkte sich aus, dass die Gemeinde rasch auf Anfragen der Bauherrschaft reagierte, diese stets ernst nahm und an gemeinsamen Lösungen interessiert war. Der gute Draht zur Bauherrschaft ermöglichte es ihr, trotz der Eigentümersituation –die wenig Einflussnahme auf das Projekt zuliess – im Rahmen des Gestaltungsplans eigene Interessen einzubringen. So entstehen ein öffentlicher Fussweg, eine angemessene Aussenraumqualität und eine funktionierende Logistik für die Migros.

Prozess

Das erneuerte Siedlungsleitbild von 2013 und der Masterplan für die Seestrasse boten der Bauherrschaft eine hohe Planungssicherheit. Für die Projektinitianten war dies Grund genug, die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten ihrer vier Parzellen in Machbarkeitsstudien abklären zu lassen – noch ohne die Migros. Als die Grosshändlerin zum Projekt stiess, brachte sie ihren Architekten mit. Ihm trugen die Projektleiter auf, im Hinblick auf die erforderliche Umzonung in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und der Migros ein Richtprojekt zu entwerfen. Nach erfolgter Teiländerung des Zonenplans 2014/2015 erarbeitete derselbe Architekt den Gestaltungsplan (Sondernutzungsplan), der heute umgesetzt wird. Einen Wettbewerb gab es nicht.

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Der Ausschnitt der Strategie des Masterplan Hergiswil Zentrum - Seestrasse verdeutlicht, wie sich die Gemeinde künftig entwickeln will.
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Handlungsfelder zeigen auf, wo welche Nutzung zu fördern ist. Quelle: Masterplan Hergiswil Zentrum - Seestrasse, Gemeinde Hergiswil

Akzeptanz

Der Wylpark hatte kaum mit Widerstand zu kämpfen. Die Interessen des Immobilienentwicklers, der Gemeinde und der Migros konnten schon früh unter einen Hut gebracht werden. Noch vor der notwendigen Umzonung orientierten die Projektverantwortlichen die direkte Nachbarschaft über das Vorhaben und die anstehende Gestaltungsplanung.

Die nutzbaren Angebote wie diverse Einkaufsmöglichkeiten, eine Tiefgarage, der halböffentliche Platz mit Spielflächen sowie der neue Quartiertreffpunkt schufen Akzeptanz: Nur drei Einwendungen gingen während der öffentlichen Auflage des Gestaltungsplans ein. Auch an der Gemeindeversammlung gab es kaum Widerstand gegen die Baupläne. Die Bevölkerung stimmte dem Gestaltungsplan deutlich zu.

Dichte

Zuletzt wohnten und arbeiteten rund fünfzig Hergiswilerinnen und Hergiswiler in den neun Liegenschaften, die dem Wylpark weichen mussten. Neu entstehen Geschäftsflächen für gut 30 Arbeitsplätze und Wohnraum für 49 Haushalte (ca. 100 Personen). Die Nutzerdichte steigt insgesamt um über 100 Prozent im Vergleich zu vorher. Auch die bauliche Dichte nimmt stark zu: Mit dem Wylpark wird eine Ausnützungsziffer von rund 1,2 erreicht.

Trotzdem fällt die Verdichtung nicht negativ auf. Dies, weil sich die Bauten architektonisch gut in den Bestand einpassen, weil wichtige Sichtachsen bewahrt werden und zusätzliche Freiräume entstehen. Die Gemeinde und die Bauherrschaft hoffen, dass der Innenhof zum Begegnungsraum und zum neuen «Quartierplatz» avanciert.

Qualität

Der Wylpark wird einem eigenständigen kleinen Quartier gleichen. Die vier fünfgeschossigen Ersatzneubauten werden auf einem gemeinsamen Sockelgeschoss errichtet, sodass sie sich in der Höhe am Bestand orientieren. Ein Farbkonzept sorgt dafür, dass die Fassaden nicht eintönig daherkommen. Der Mix aus 2,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen dürfte ein breites Publikum ansprechen.

Apropos Publikum: Ins Erdgeschoss mit publikumsorientierter Nutzung wird die Migros einziehen. Daneben soll Platz bleiben für vier weitere Läden oder Dienstleister. Vor der Tür entstehen entlang der Seestrasse vier Kundenparkplätze, weitere 140 Parkplätze stehen in der Einstellhalle zur Verfügung, die sich die Kundschaft und die Anwohnerinnen und Anwohner teilen. Zusätzliche oberirdische Parkplätze erübrigen sich.

Aus dem gewonnenen Raum soll ein autofreier und grüner Innenhof mit Spielflächen und Quartiertreff werden, der Anwohnerinnen und Nachbarn gleichermassen offensteht. Ob die Idee aufgeht, muss sich erst zeigen, denn die Enge des Innenhofs begünstigt die soziale Kontrolle. Wenn dereinst der öffentliche Fussweg zur Migros regelmässig genutzt würde, wäre bereits viel erreicht.

Zwischen den Neubauten entsteht ein halböffentlicher Innenhof mit Spiel- und Aufenthaltsflächen, der zum neuen Quartierplatz werden soll. Quelle: DINA Immobilien AG

Wirtschaftlichkeit

Die rund 50 neuen Wohnungen, die je zur Hälfte als Eigentums- und Mietobjekte vermarktet werden, erhöhen die Anzahl der Wohnungen in Hergiswil auf einen Schlag um rund zwei Prozent.

Obschon die Neubauten in nur einer Etappe erstellt werden, lässt die Zahl der Kauf- und Mietanfragen, die schon 2017 beim zuständigen Architekturbüro eingegangen sind, darauf schliessen, dass alle Wohnungen rasch bezogen werden dürften. Die Erstellung in einem Zug ist daher sinnvoll – nicht zuletzt, weil die Liegenschaften über das gemeinsame Erdgeschoss und die Tiefgarage miteinander verbunden sind.

Zu den Verkaufsargumenten zählen neben den qualitativen Aspekten des Wylparks auch die umliegende Landschaft, der Ausblick und die Nähe zu den Bergen, zum See und zur Stadt Luzern. Die Vermietung soll im Frühjahr 2022 starten – dann wird sich zeigen, ob die Investoren richtig lagen.

Besondere Stärken

Aus Sicht von EspaceSuisse sind folgende Punkte des Beispiels besonders erwähnenswert:

  • Die Gemeinde hat ihre strategischen Entwicklungsabsichten behördenverbindlich im Siedlungsleitbild und im Masterplan Zentrum - Seestrasse festgehalten.
  • Die strategischen Instrumente schufen klare Rahmenbedingungen, damit Bauwillige und Investoren die Entwicklung mittragen können.
  • Der Gestaltungsplan Wyl konkretisiert die Ansätze des Masterplans und legt sie eigentümerverbindlich fest. Dazu zählen ein klarer städtebaulicher Ausdruck, publikumsorientierte Erdgeschossnutzungen entlang der Seestrasse und eine offenere Gestaltung privater Freiräume mit zugänglichen Bereichen für die Öffentlichkeit.
  • Der Wylpark nimmt Rücksicht auf den umliegenden Bestand. Die Parkplätze entstehen grösstenteils im Untergrund, was Platz für Fusswege und Raum für Begegnungen schafft.

Weiterführende Informationen

  • 2013. Masterplan Hergiswil Zentrum - Seestrasse. Gemeinde Hergiswil.
  • 2013. Siedlungsleitbild Hergiswil. Gemeinde Hergiswil.
  • 2017. Gestaltungsplan Wyl. Sonderbauvorschriften zum Gestaltungsplan. Gemeinde Hergiswil.
  • 2017. Gestaltungsplan Wyl. Bericht zum Gestaltungsplan. Gemeinde Hergiswil.
  • 2017. Hergiswils Zentrum verändert sich massiv. Luzerner Zeitung vom 24. Juni 2017. Luzern.
  • 2019. Der Wylpark in Hergiswil darf gebaut werden. Luzerner Zeitung vom 7. Januar 2019. Luzern.

Stand der Bewertung durch EspaceSuisse: Mai 2020

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