Der Ersatzneubau der Siedlung Grünmatt erweist ihrem Namen die Ehre

Die Familienheim-Genossenschaft Zürich (FGZ) ersetzte ihre Gartenstadtsiedlung Grünmatt zwischen 2010 bis 2014 mit Neubauten. Die 64 eingeschossigen Reihenhäuser wurden zurückgebaut, weil die kleinen Räume und die grossen Gärten nicht mehr den zeitgemässen Wohnbedürfnissen entsprachen. Der FGZ und ihren Mitgliedern gelang es, die Gartenstadtsiedlung zusammen mit dem Amt für Städtebau neu zu interpretieren und zu verdichten. Die Struktur der alten Gebäude stand Pate für die Grundzüge der Ersatzneubauten. Mithilfe eines ausgereiften Bauleitbildes wurden die Qualitäten festgelegt und mit einem Gestaltungsplan gesichert. Obwohl die Siedlung neu gebaut wurde, lässt sich die historische Siedlungsstruktur noch immer ablesen. Die neue Siedlung Grünmatt beherbergt heute knapp 500 Menschen – mehr als doppelt so viele wie zuvor.
Die Siedlung Grünmatt wurde komplett rückgebaut und neu erstellt. Wie schon zuvor spielen die Grün- und Freiräumen eine zentrale Rolle. Foto: L. Buchmann, HSR
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Das Beispiel der Siedlung Grünmatt bewertet durch EspaceSuisse nach der Methode «IRAP Kompass Innenentwicklung».

Ausgangslage

Bis ins Jahr 2030 wird die Bevölkerung der Stadt Zürich um rund 80’000 Menschen wachsen. Baulandreserven sind praktisch keine mehr vorhanden. Deshalb soll mit innerer Verdichtung auf diese Entwicklung reagiert werden. Zum Beispiel im Kreis 3, im Westen der Stadt: Im Quartier Friesenberg befinden sich mehrere Siedlungen der FGZ, die saniert oder neu gebaut werden mussten bzw. müssen. Um die zukünftige Entwicklung der einzelnen Siedlungen und der öffentlichen Räume längerfristig festzulegen, erarbeiteten die Stadt und die FGZ gemeinsam ein Bauleitbild von 2002 bis 2004. Das Dokument diente der FGZ als erste Entwicklungsstrategie für die angepeilte Erneuerung und Verdichtung ihrer Siedlungen. Den Auftakt dazu machte das 3.2 Hektaren grosse Areal Grünmatt im Jahr 2010. Seither hat die FGZ das Bauleitbild weiterentwickelt in ein Instrument der Entwicklungsplanung. Dieses wird fortwährend neuen Erkenntnissen angepasst und diente auch als Grundlage für die Test- und Masterplanung aller FGZ-Siedlungen am Friesenbarg von 2012 bis 2015. Das Resultat dieser Gesamtbetrachtung stellt heute eine gute Grundlage für die schrittweise Erneuerung, Instandsetzung und Aufwertung der Siedlungen am Friesenberg dar.

Kennziffern

  • Einwohnerzahl Stadt Zürich: 428’737 (2018)
  • Arealgrösse: 31’797 m²
  • Investitionskosten: rund 88 Millionen CHF
  • Ausnützungsziffer AZ: 0,63
  • Wohneinheiten WE: 155
  • Bruttogeschossfläche BGF: 19‘890 m²
  • Anzahl Parkplätze: 128 PP
  • Parkplatzkoeffizient: 0,8 PP / WE
  • ÖV-Güteklasse: A – sehr gute Erschliessung
  • Gemeindetypologie BFS: Städtische Gemeinde einer grossen Agglomeration

Bewertung

Lage

Die Siedlung Grünmatt liegt in Wiedikon am Fusse des Uetlibergs im Stadtkreis 3. Drei Buslinien und die Uetlibergbahn erschliessen die Siedlung mit dem öffentlichen Verkehr, was der ÖV-Güteklasse A (sehr gute Erschliessung) entspricht. Auch mit dem Auto ist die Siedlung rasch erreichbar, selbst wenn das lokale und regionale Strassennetz in den Spitzenstunden teilweise überlastet ist. Dafür findet man alles Notwendige in nächster Nähe: Die Siedlung Grünmatt beherbergt einen Kindergarten und einen Kinderhort, in der näheren Umgebung finden sich mehrere Schulen. Zudem erhielt das Quartier unlängst ein Quartierzentrum. Darin finden sich ein weiterer Kindergarten mitsamt Hort, eine Gemeinschaftspraxis, ein Restaurant und eine Auswahl an Einkaufsmöglichkeiten mit Gütern des täglichen Bedarfs. Auch eine Pflegewohngruppe konnte darin eingerichtet werden.

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Lage der Siedlung Grünmatt. Quelle: Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Gemeinde

Die Stadt Zürich gibt in ihrem regionalen Richtplan – und künftig auch in ihrem kommunalen – die Grundsätze der Innenentwicklung vor und legt fest, wo Verdichtungsgebiete liegen. In ihrer räumlichen Entwicklungsstrategie legt sie Rahmenbedingungen für die Innenentwicklung fest. Auch sonst hilft die Stadt bei Verdichtungsvorhaben. Sie erstellte zusammen mit der FGZ einen Masterplan für die Entwicklung des Quartiers Friesenberg, in dem die Genossenschaft die grösste genossenschaftliche Gartenstadtsiedlung der Schweiz besitzt.

Der Masterplan legt die Entwicklung der gesamten Siedlung bis 2050 fest. Das kommt der Stadt entgegen: Bis zu diesem Zeitpunkt muss sie den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen auf ein Drittel erhöhen. Im Rahmen der Masterplanung konnte sie auf die Planinhalte Einfluss nehmen und so Verdichtung und die Erstellung preisgünstiger Wohnungen fördern.

Eigentum

Als Besitzerin des Grünmatt-Areals verfolgt die FGZ primär zwei Ziele:: knappen Wohnraum nicht zu verschwenden und bezahlbaren Wohnraum für Familien bereitstellen. Diese Ziele hat die FGZ in ihrem Bauleitbild formuliert, das sie 2004 verabschiedet hat. Es geniesst die breite Unterstützung der FGZ-Mitglieder und dient diesen als strategisches Planungsinstrument. Darin finden sich auch Grundsätze betreffend Siedlungserneuerung, die Entwicklung von Grünräumen, den Verkehr sowie die Zentrumsentwicklung.

Wie bei den meisten Genossenschaften werden die Wohnungen vermietet. Belegungsvorschriften schreiben vor, wie viele Personen mindestens in einer Wohnung leben müssen – und schreiben auch Umzugsfristen vor, falls die Mindestbelegung unterschritten wird.

Jeweils 13 Häuser bilden ein Reihenhaus. Zwischen zwei Reihenhäusern öffnen sich Durchgänge und Sichtachsen. Foto: L. Buchmann, HSR

Prozess

Bis zum Ersatzneubau der Siedlung Grünmatt hatte die FGZ noch nie Reihenhäuser abgebrochen. Entsprechend viel Überzeugungsarbeit war bei den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern zu leisten. Den Anfang markierte das Bauleitbild, das diese 2004 partizipativ erarbeiteten. Dieser gemeinsame Prozess bewegte Genossenschafterinnen und Genossenschafter dazu, den Entwicklungsabsichten des Vorstands zuzustimmen. Es folgte eine Testplanung in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Städtebau der Stadt Zürich, die in einen Studienauftrag mündete.

Sechs Architektenteams wurden eingeladen, neben dem Raumprogramm für den Ersatzneubau der Siedlung Grünmatt weiterführende Ideen zum Reihenhaus und zur Gartenstadt zu entwickeln. Der Vorschlag eines Zürcher Architekturbüros überzeugte die Preisrichter und die FGZ. Letztere bewilligte an ihren Generalversammlungen 2007 und 2009 zuerst den Projektierungskredit und den Baukredit von rund 85 Millionen Franken. 2009 genehmigte auch der Stadtzürcher Gemeinderat den «Privaten Gestaltungsplan Grünmatt», sodass von 2010 bis 2014 gebaut werden konnte.

Akzeptanz

Die ursprüngliche Reihenhaus-Typologie mit den grosszügigen Gärten wurde bei der Planung der Ersatzbauten ansatzweise berücksichtigt. Die privaten Aussenräume der neuen Siedlung fielen bewusst kleiner aus. Als Ersatz für den privaten Raumverlust bieten nun Loggien gemütliche Rückzugsmöglichkeiten an.

Die gewonnene Fläche kommt auch den öffentlichen Wegen und gemeinschaftlich nutzbaren Begegnungsflächen zugute. Die Wege zwischen den Häuserzeilen wurden verbreitert und das Mobiliar der Begegnungsflächen erneuert. Die leicht gekrümmten Häuserzeilen bilden attraktive öffentliche Räume, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern rege genutzt werden. Zudem schützt die vorderste Häuserzeile die dahinterliegenden Zeilen vor Lärm.

Die Synthesekarte des Masterplans zeigt, wie die FGZ ihre Siedlungen in Zürich Wiedikon entwickeln will.
Quelle: Amt für Städtebau der Stadt Zürich AfS, Familienheim-Genossenschaft Zürich FGZ

Dichte

Noch vor ein paar Jahren wohnten in der Siedlung Grünmatt in 64 Wohnungen 197 Personen. Heute leben 490 Menschen in 155 Wohnungen. Die Nutzungsdichte hat sich damit ums Zweieinhalbfache erhöht – auch wenn die Belegungsdichte vergleichbar und die Ausnützungsziffer verhältnismässig tief geblieben sind. Die vielen Familien in der Siedlung Grünmatt beleben das Quartier. Folgerichtig wurde auch ein mit einem Kinderhort kombinierter Kindergarten angesiedelt. Ältere, pflegebedürftige Menschen haben die Möglichkeit, in einer Pflegewohngruppe zu leben.

Qualität

Die Gebäudezeilen sind so in den Hang eingepasst, dass Terrainveränderungen vermieden und die Häuser ebenerdig erschlossen werden konnten. Die siedlungseigene Tiefgarage behob das frühere Parkplatzproblem und befreite gleichzeitig die Aussenräume vom motorisierten Verkehr. Auf den flächenmässig grosszügigen Wegen können Kinder nun gefahrlos spielen.

Das Bepflanzungskonzept orientiert sich am Charakter traditioneller Gartenstadtsiedlungen und wartet mit (Zier-)Obstbäumen, Hecken und Sträuchern sowie privaten Vorgärten auf. Die Fassaden tragen dieselben Farben, wie sie andernorts im Friesenbergquartier vorkommen. Die Neubauten erfüllen den Minergiestandard, obwohl hochgesteckte energetische Ziele im Reihenhausbau nur schwer erreichbar sind. Die Photovoltaikanlagen auf den Dächern versorgen zudem rund hundert Familien mit Strom.

Bei Bedarf können Genossenschafterinnen und Genossenschafter zusätzliche Räume (Individualzimmer) mieten. Allen steht zudem ein Gemeinschaftsraum mit Küche zur Verfügung.

Wirtschaftlichkeit

Die Wohnungen sind beliebt, sodass die Siedlung sofort bezogen und komplett vermietet war; bis heute sind keine Leerstände zu verzeichnen. Weil die Baukosten verhältnismässig hoch ausfielen, konnten die strengen Vorschriften der kantonalen Wohnbauförderung nicht eingehalten und damit keine staatlich subventionierten Wohnungen angeboten werden. Zum einen machte der instabile Baugrund eine kostspielige Sicherung nötig. Zum anderen verhinderte die Reihenhaus-Typologie aufgrund der geringen Tiefe und Geschosszahl eine höhere Nutzfläche und erforderte gleichzeitig viele Bauteile wie Haustüren oder Treppen. Trotzdem kann die FGZ die 3,5- und 4,5-Zimmerwohnungen ohne staatliche Unterstützung für einen Mietzins unter 2’000 Franken anbieten.

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Von den hangseitigen Loggien kann der Blick schweifen, zum Beispiel auf die bunte Holzfassadenelemente der gegenüberliegenden Häuserzeile. Auch die geräumigen und verkehrsbefreiten Wege lassen sich sehen. Foto: L. Buchmann, HSR
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Zwischen den Reihenhäusern sind abwechselnd breitere oder schmalere Wege zu finden. Foto: L. Buchmann, HSR

Zusammenfassung

Die FGZ und ihre Genossenschafterinnen und Genossenschafter haben in einem breit abgestützten Prozess ein ausgereiftes Bauleitbild für ihre Wohnsiedlungen am Friesenberg erstellt. Dann erarbeiteten sie gemeinsam mit dem Amt für Städtebau einen Masterplan, der bis ins Jahr 2050 wegweisend sein wird. Für die Weiterentwicklung der Gartenstadtsiedlung Grünmatt wurde der Abbruch beschlossen.

Dank eines umfassenden Prozesses zeigen die hochwertigen Ersatzneubauten eine Gartenstadtsiedlung, die den heutigen Bedürfnissen entspricht. Sie ist ein lebendiger, idealer Ort für Familien, dicht und durchdacht hinsichtlich Ökologie und Energieverbrauch. Die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner hat sich im Vergleich zu vorher mehr als verdoppelt, rund 30 Prozent von ihnen sind fünfzehnjährig oder jünger. Die neue Siedlung beweist, dass es der FGZ gelingt, Tradition und Erneuerung unter einen Hut zu bringen.

Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse 

  • Wo früher rund 200 Menschen zu Hause waren, leben heute rund 500 Menschen, dies ist eine deutliche Erhöhung der Nutzungsdichte.
  • Der Charakter der Gartenstadtsiedlung konnte erhalten werden, indem sich die heutige Siedlung in Form und Struktur an die einstige Siedlungsstruktur anlehnt.
  • Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter wurden bei der Erstellung des Bauleitbildes miteinbezogen.
  • In der Stadt Zürich sind an guter Lage Familienwohnungen für unter 2’000 Franken Miete erhältlich.

Weiterführende Informationen

  • 2004. FGZ Bauleitbild und Entwicklungsplan 2004–2025. Herausgeberin: Familienheim-Genossenschaft Zürich FGZ. Zürich.
  • 2014. «Mehr als Reihenhäuser». In: Wohnen, Band 89, Heft 5 Neubau. Zürich.
  • 2014. «Grünmatt – neue Gartensiedlung im Friesenberg». Medienmitteilung Familienheim-Genossenschaft Zürich. Zürich.

Stand der Bewertung durch EspaceSuisse: Juli 2019

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