Die langjährige Siedlungsentwicklung trägt Früchte

Im Jahr 2016 liess die Stadt Schlieren ihr zweites Stadtentwicklungskonzept (STEK 2016) erarbeiten. Sie ersetzte damit ihr gut zehnjähriges Stadtentwicklungskonzept von 2005 (STEK 2005). Damals stand es schlecht um die Limmattalgemeinde. Der Zusammenbruch der Industrie gegen Ende des letzten Jahrtausends hinterliess zahlreiche Arbeitslose, weitläufige Industriebrachen und kaum Perspektiven. Seither hat die Gemeinde eine beispiellose Entwicklung durchgemacht – nicht zuletzt dank des STEK 2005, das nun erneuert wurde.
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Das Beispiel Siedlungsentwicklungskonzept Schlieren bewertet von EspaceSuisse nach der Methode «IRAP Kompass Innenentwicklung».

Ausgangslage

Schlieren liegt im Limmattal und grenzt an die Stadt Zürich. Die Gemeinde litt von den 1970er- bis in die 1990er-Jahre stark unter dem Rückgang der Industrie. Innert weniger Jahrzehnte schlossen mehrere wichtige Industrieunternehmen ihre Tore.

Zahlreiche Arbeitsplätze gingen verloren, die Arbeitslosigkeit stieg, die Industriegebiete lagen fortan brach. Zeitgleich nahm der Durchgangsverkehr zu, damit verbundene Lärm- und sonstige Emissionen stiegen an. Bestehende Gebäude wurden vernachlässigt und die Wohnungsmieten sanken. Das zog einkommensschwächere Personen aus Zürich an, die dort ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr stemmen konnten. Schweizweit machte Schlieren negative Schlagzeilen in der Presse, was ab 1995 faktisch zu einem Investitionsstopp führte.

Doch der Stadtrat sah in der Krise auch eine Chance. In den Industriebrachen steckte ein grosses Entwicklungspotenzial für die Gemeinde: Sie boten viel Platz für Wohnraum, der im nahen Zürich fehlte oder nur teuer zu haben war. Um jeden Preis wollte der Stadtrat aber eine ungeordnete Überbauung verhindern, die eine nachhaltige Entwicklung für Schlieren erschwert hätte.

Der Stadtrat vergab deshalb im Jahr 2003 den Auftrag zur Ausarbeitung eines städtebaulichen Konzepts. Es sollte aufzeigen, wie die Entwicklung Schlierens aktiv gestaltet und die Herausforderungen gemeistert werden könnten. Das Resultat war das STEK 2005. Die Stadt zögerte nicht und setzte die Massnahmen Schritt für Schritt um. Elf Jahre später erntete sie für ihre Arbeit viel Lob – und stellte das in der Zwischenzeit erarbeitete STEK 2016 vor.

Schlieren ZH Stadtentwicklungskonzept 1
Vom Durchfahrts- zum Identitätsort: Das Stadtentwicklungskonzept 2016 sieht klare Quartiere mit eigenen Zentren vor. Werden sie miteinander vernetzt, entsteht eine Stadt. Quelle: Gemeinde Schlieren

Kennziffern

  • Einwohnerzahl: 19'000 (2016)
  • Gemeindetypologie BFS: Städtische Gemeinde einer grossen Agglomeration

Bewertung

Lage

Die Gemeinde liegt nordwestlich von Zürich im Limmattal. Die Nähe zum Kantonshauptort und die hervorragende Erschliessung machen sie als Wirtschaftsstandort höchst attraktiv. Mit dem Auto oder dem ÖV gelangt man innert Kürze zum Flughafen, nach Zürich oder in diverse Regionalzentren. Dank der Massnahmen des Stadtentwicklungskonzepts konnte Schlieren sein negatives Image grösstenteils ablegen. Die Gemeinde konnte ihre Lage am Rande der Stadt Zürich zu ihrem Vorteil nutzen.

Gemeinde

Die Stadt Schlieren war bestrebt, ihr negatives Image abzulegen. Dieses hing eng mit ungewünschten Nachnutzungen auf den zahlreichen Industriebrachen zusammen. Dort florierte der Handel mit Gebrauchtwagen. Ab der Jahrtausendwende nahm der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsstadt Fahrt auf, womit der Nutzungsdruck auf den raumintensiven, aber wertschöpfungsarmen Gebrauchtwagenhandel erhöht wurde. Der Stadtrat erkannte, dass er diesen Druck nutzen konnte, um die Entwicklung zu steuern und einer ungeordneten Überbauung auf den Industriebrachen vorzubeugen. Das gab den Anstoss für die Erarbeitung des wegweisenden STEK 2005. Auch acht Jahre später zeigte der Stadtrat wieder Weitsicht, indem er zuerst das Erreichte evaluierte, bevor er das weiterführende STEK 2016 in Auftrag gab.

Prozess

Von 2003 bis 2004 erarbeitete die Fachkomission Stadtentwicklung mit einem Planungsbüro ein Konzept für die Stadtentwicklung. Im Sommer 2004 legte der Stadtrat den Entwurf öffentlich auf. Ausgewählte Interessenvertreter wurden gezielt um eine Stellungnahme gebeten. Die Rückmeldungen wurden soweit wie möglich in das Konzept integriert. Im Jahr 2005 beschloss der Stadtrat das STEK 2005.

Von 2005 bis 2013 durchlief Schlieren eine rasante bauliche Entwicklung. Das STEK 2005 half der Stadt wesentlich, die Entwicklung in dieser Phase zu lenken. Im Jahr 2013 liess die Stadt aufgrund des erfolgten Wandels eine Standortbestimmung vornehmen. Der Stadtrat liess dazu die bisherige Entwicklung aus räumlicher und sozialgeografischer Perspektive auswerten, um allenfalls Kurskorrekturen vornehmen zu können. Zeitgleich endete im Herbst 2013 die «Ideenkonkurrenz Perspektive Raumentwicklung Limmattal (PeRL)», die die ETH angestossen hatte. Aufgrund der Empfehlungen der «PeRL» und der eigenen Auswertungen entschloss sich der Stadtrat, das STEK neu aufzugleisen. Im Unterschied zum STEK 2005 wirkte diesmal die Bevölkerung an zwei Workshops direkt mit. Die beauftragten Planerinnen und Planer suchten auch das Gespräch mit wichtigen kantonalen Ämtern (Verkehr und Raumentwicklung) und der SBB (Abteilungen Infrastruktur und Netzentwicklung).

Akzeptanz

Der Leidensdruck in Schlieren war hoch, als die Arbeiten am STEK 2005 begannen. Die über 100 Einwände, die während der öffentlichen Auflage des STEK vorgebracht wurden, weisen auf das Interesse der Bevölkerung hin. Das mit der Erarbeitung des STEK beauftragte Planungsbüro liess diese Voten so weit wie möglich einfliessen. Die Zürcher Hochschule der Künste hält die bauliche Entwicklung der Gemeinde von 2005 bis 2020 fotografisch fest. Die Veränderung wird so für die Bevölkerung sichtbar, was Verständnis schafft für den Wandel. Die Stadt verschickte an alle Haushaltungen einen Flyer, mit dem sie die Bürgerinnen und Bürger zur Mitwirkung am STEK 2016 einlud. Die Einladung lockte neben «den üblichen Verdächtigen» auch zahlreiche Familien und neu zugezogene Personen an, die ebenfalls an den beiden Workshops teilnahmen.

Dichte

Bereits mit dem STEK 2005 strebte Schlieren eine Siedlungsentwicklung nach innen an. Das war fast 10 Jahre vor der Revision des Raumplanungsgesetzes. Im STEK 2016 schreibt die Stadt diesen Trend fort – und macht konkrete Vorschläge, wo und wie stark die Ausnützungsziffer angehoben werden soll. Besonders im Umkreis von ÖV-Haltestellen (S-Bahn, Limmattalbahn) sieht das STEK 2016 höhere Ausnützungsziffern (AZ) von 0,8 bis 1,7 vor. Aber auch Einfamilienhauszonen sollen verdichtet werden. Mit Beispielvorhaben und Testplanungen sollen einzelne zweigeschossige Wohnzonen (W2) verdichtet werden. Die AZ soll hier bis auf 1,0 erhöht werden.

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Das Syntheseplan des Stadtentwicklungskonzepts 2005. Quelle: Gemeinde Schlieren
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Das neue STEK zeigt deutlich, wo die Siedlung wachsen darf und wie sie erschlossen wird (STEK 2016). Quelle: Gemeinde Schlieren

Qualität

Das STEK 2005 half Schlieren massgeblich bei seiner Transformation vom Dorf zur Stadt. Daran knüpft das STEK 2016 an. Differenziert analysiert es Städtebau, Verkehr und Freiraum. Es leitet für jeden der drei Aspekte die wichtigsten Themen ab, formuliert Ziele dazu und macht Vorschläge für Massnahmen. Das Konzept analysiert die betroffenen städtebaulichen Situationen präzise und entwirft massgeschneiderte Lösungsansätze. Besonders hilfreich sind die Illustrationen, welche die komplexe Thematik einfach und verständlich darstellen.

Eigentum

Entwicklungskonzepte sind grundsätzlich nicht eigentümerverbindlich. Davon unterscheiden sich weder das STEK 2005 noch das STEK 2016. Trotzdem üb(t)en beide Konzepte in Schlieren einen Einfluss auf sämtliche Grundeigentümer aus. Wichtig ist deshalb, dass sich Interessierte in das Konzept einbringen können und Betroffene sich nicht übergangen fühlen. Bei der Erarbeitung des STEK 2016 wurde die Bevölkerung stark eingebunden. Das ist lobenswert und kann dazu führen, dass das Instrument für alle Beteiligten einen verbindlichen Charakter erhält.

Wirtschaftlichkeit

Das STEK 2016 kostete die Stadt rund 170’000 Franken. Es handelt sich dabei um eine Investition in die Zukunft. Dank der guten Planung konnten Fehlentwicklungen vermieden werden, deren Korrektur Mehrkosten verursacht hätten. Zudem profitieren Bevölkerung und Stadt eher von Mehrwerten, wie beispielsweise von neuen, qualitätsvollen Wohnquartieren. Schlieren wird in allen Belangen attraktiver. Davon profitiert im Endeffekt auch die Wirtschaft.

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Das STEK 2016 sieht im ÖV den Treiber der Verdichtung: 750 Meter rund um die S-Bahn-Stationen (grosse Kreise) könnte dank höherer Ausnützungsziffern (AZ) verdichtet gebaut werden. Bei Haltestellen der geplanten Limmattalbahn (Radius 400 Meter) beträgt die AZ maximal 1,5. Quelle: Gemeinde Schlieren

Zusammenfassung

Mit dem STEK 2016 schlägt Schlieren das nächste Kapitel seiner erfolgreichen Stadtentwicklung auf. Das ist nur möglich, weil die Stadt vor über elf Jahren das Heft in die Hand nahm und sich einsetzte für eine nachhaltige Entwicklung. Sie profitierte dabei auch von äusseren Umständen, die sie nicht beeinflussen konnte: Das knappe Angebot an Wohn- und Gewerbeflächen in der Stadt Zürich verteuerte die Mieten, während in Schlieren baureife Parzellen in Autobahnnähe zu günstigen Preisen zu haben waren. Die Stadt erkannte den sich anbahnenden Wandel. Das ist nicht selbstverständlich.

Im STEK 2005 verlangte sie denn auch, dass die Arbeitsplatzgebiete prioritär qualitätsvoll entwickelt werden sollten. Das Zentrum sollte erweitert und neu gestaltet, der öffentlichen Raum aufgewertet und ergänzt werden. Die Strassen sollten im Zentrum siedlungsverträglich und in den Quartieren verkehrsberuhigt werden.

Nach elf Jahren rasanter Entwicklung legte die Stadt einen planerischen Halt ein, um die Marschrichtung zu prüfen und allenfalls Kurskorrekturen vorzunehmen. Dazu liess sie das Stadtentwicklungskonzept der zweiten Generation erarbeiten, das STEK 2016. Das Konzept greift die wichtigsten Punkte der vorangehenden Planung auf und entwickelt sie weiter. Das Resultat ist eine solide Planung für die nächsten 10 bis 25 Jahre, welche die nächsten Handlungsfelder aufzeigt.

Schlieren ZH Stadtentwicklungskonzept Gesamtplan
Der Gesamtplan des STEK 2016 zeigt, wie die acht Quartiere mit eigenen Zentren gestärkt werden. Starke Quartiere tragen dazu bei, dass Schlieren als Stadt funktioniert. Quelle: Gemeinde Schlieren

Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse 

  • Die Verwaltung nahm ihr Schicksal mit dem STEK 2005 mutig in die eigenen Hände.
  • Das STEK 2005 wurde konsequent umgesetzt und verschwand nicht in der Schublade.
  • Bei der Umsetzung half die Langzeitbeobachtung. Sie zeigt die Entwicklung und spornt zum Handeln an.
  • Das STEK 2016 wurde erst nach sorgfältigen Evaluationen angestossen. So konnten die wichtigsten Handlungsfelder identifiziert und die Marschrichtung justiert werden.

Weiterführende Informationen

  • 2005. Stadtentwicklungskonzept Schlieren. Metron AG, Brugg.
  • 2014. Schlieren im Wandel – 2005 bis heute. Stadt Schlieren, Schlieren.
  • 2016. Neuauflage des Stadtentwicklungskonzepts der Stadt Schlieren. Albert Speer & Partner AS&P, Hamburg.

Stand der Bewertung durch EspaceSuisse: Juni 2018

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