Ausgangslage
Die Gemeinde Langnau am Albis liegt in der Agglomeration Zürich, genauer im Sihltal zwischen Zürich und Zug. Sie zählt rund 7700 Einwohnerinnen und Einwohner. Mitten im Dorfzentrum befand sich neben einem Einkaufsgeschäft und einer Bank auch eine grosses Garten-Center mit mehreren Treibhäusern. Für Letzteres wurde der Raum im Ortskern zu knapp. Aufgrund der mangelnden Expansionsmöglichkeit begann der Inhaber des Garten-Centers, sich nach einem alternativen Standort umzusehen. Davon erfuhr der Gemeinderat und initiierte um die Jahrtausendwende das Projekt «Ortsbildverbesserung», um das Dorfzentrum weiterzuentwickeln. Im Rahmen dieses Projektes führte die Gemeinde 1999 mit der Bevölkerung diverse Workshops durch.
Dabei zeigte sich, dass ein sehr grosses Interesse daran bestand, die Verkehrs- und Einkaufssituation im Zentrum zu verbessern und einen bis anhin fehlenden Dorfplatz zu schaffen. Nun galt es, die Zwischenresultate des Projektes «Ortsbildverbesserung», mehrere anstehende Bauanfragen und insbesondere die sich abzeichnende Auslagerung des Garten-Centers aus dem Dorfzentrum in einer gesamtheitlichen Entwicklung zu koordinieren.
Kennziffern
- Einwohnerzahl: 7727 (31. Dezember 2019)
- Wohneinheiten: 52 (davon 42 neu)
- Arealgrösse: 13’000 m²
- ÖV-Güteklasse: C – mittelmässige Erschliessung
- Parkplatzanzahl: ca. 200 (17 oberirdisch und rund 180 unterirdisch)
- Gemeindetyp BFS: Städtische Gemeinde einer grossen Agglomeration
Bewertung
Lage
Der neue Dorfplatz und die neue Zentrumsbebauung liegen im Herzen der Gemeinde. Über das ausreichend leistungsfähige Strassennetz lassen sich beide einfach und schnell erreichen. Der nächste Anschluss an die A3 befindet sich in rund vier Kilometer Entfernung, die Fahrt nach Zürich dauert etwa 30 Minuten. Etwas schneller ist man mit dem ÖV, mit dem man für diese Strecke zirka 25 Minuten braucht.
Die Verbindungen sind also gut, obwohl das Dorfzentrum nur mittelmässig mit dem ÖV erschlossen ist (Güteklasse C). Es hilft, dass die Bushaltestelle «Dorf» unmittelbar am Dorfplatz liegt und dreimal pro Stunde bedient wird. Positiv ist auch, dass die S-Bahn am Bahnhof Langnau-Gattikon in den Spitzenzeiten im Zehnminutentakt verkehrt. Lebensnotwendige Güter gibt es jedoch auch in der neuen Zentrumsbebauung: Läden mit Artikeln des täglichen Bedarfs, Banken, eine Drogerie sowie die Bibliothek sind darin untergebracht. Auch die Gemeindeverwaltung und die Schulanlagen (Kindergarten, Schulen der Primar- und Oberstufe) stossen talwärts direkt an den Dorfplatz.
Gemeinde
Bis zur Jahrtausendwende war die Innenentwicklung kein Thema. Entsprechend fehlte auch eine Verdichtungsstrategie. Das vom Gemeinderat 1999 initiierte Projekt «Ortsbildverbesserung» zeigte, dass die Langnauer Bevölkerung die Vision eines dichten Dorfzentrums mit Einkaufsmöglichkeiten und einem neuen Dorfplatz sowie einer entsprechend angepassten Verkehrslösung durchaus mittragen würde. Trotzdem verfügt die Gemeinde bis heute über keine gesamthafte Innentwicklungsstrategie. Stattdessen stösst sie die Innenentwicklungen punktuell mit (rechtlich unverbindlichen) Masterplänen an. Diese sollen darüber Aufschluss geben, inwiefern der Grundnutzungsplan im Rahmen der anstehenden Gesamtrevision angepasst werden soll. Immerhin prüft der Finanz- und Steuerausschuss der Gemeinde laufend die zum Verkauf stehenden Grundstücke. Dabei zieht er das Bauamt mit ein.
Eigentum
Der Perimeter der Zentrumsentwicklung betraf zu Beginn Parzellen von sieben Grundeigentümern – darunter war auch die Gemeinde. Sie alle trugen die Ziele mit, die in den Workshops mit der Bevölkerung erarbeitet worden waren: das Dorfzentrum als Einkaufsstandort zu stärken, die Erschliessungssituation zu verbessern und einen Dorfplatz in das Zentrum zu integrieren. Als Hauptakteure für die Weiterentwicklung des Dorfzentrums taten sich der Gesamtgemeinderat sowie der ortsansässige Inhaber des Garten-Centers hervor, dessen Wegzug die Weiterentwicklung ausgelöst hatte.
Prozess
Im Projekt «Ortsbildverbesserung» wurden der Mitwirkung der Bevölkerung und dem Einbezug der betroffenen Grundeigentümer von Beginn an ein grosses Gewicht beigemessen. So ging aus zwei Workshops hervor, dass den Ortsansässigen insbesondere die Themen Verkehr, Einkaufsmöglichkeiten und Dorfplatz wichtig waren. Um die Inputs aus den Mitwirkungsveranstaltungen, den sich abzeichnenden Wegzug des Garten-Centers und mehrere Bauanfragen zu koordinieren und zu konsolidieren, beantragte der Gemeinderat bei der Baudirektion des Kantons Zürich im Jahr 2000 eine Planungszone für den Zentrumsperimeter. Damit sicherte er sich die benötigte Zeit, um einen Projektwettbewerb durchzuführen, dann allenfalls einen Gestaltungsplan auszuarbeiten und bei Bedarf die Bau- und Zonenordnung (BZO) zu revidieren.
Im darauffolgenden Jahr lud der Gemeinderat in Kooperation mit der Hochschule für Technik und Architektur Luzern Studierende dazu ein, das Dorfzentrum und die angrenzende Neue Dorfstrasse in drei Projekten neu zu gestalten. Die Interessen der Bevölkerung waren in den Projekten ebenfalls zu berücksichtigen. Im Juni 2002 einigten sich die Hauptakteure – der Inhaber des Garten-Centers und der Gemeinderat – auf die Durchführung eines Projektwettbewerbs mit drei eingeladenen Architekturbüros. Daraus resultierte das massgebende Richtprojekt von Roefs & Frei Architekten AG für die Zentrumsbebauung. In der Folge beauftragten die Hauptakteure mit dem Einverständnis der verbleibenden vier Eigentümer das Architektenteam mit der Erarbeitung eines privaten Gestaltungsplans Dorfzentrum. Dieser wurde schliesslich an der Gemeindeversammlung vom 9. Dezember 2004 angenommen und von der Baudirektion des Kantons Zürich am 28. April 2005 genehmigt. Der Gestaltungsplan sicherte die Entwicklungsabsichten planungsrechtlich ab und diente als Basis für das nachfolgend realisierte Bebauungskonzept.
Akzeptanz
Dass mit der Bevölkerung ein Dialog zur Zentrumsentwicklung geführt wurde, schuf Akzeptanz. Daraus resultierte, dass gewissen Wünschen der Bevölkerung entsprochen wurde und gleichzeitig einschlägig bekannte Defizite behoben werden konnten: Die Erschliessung für den motorisieren Individualverkehr wurde verbessert und neue unterirdische Parkplätze konnten erstellt werden. Der Fussverkehr erhielt ein grosszügigeres Wegnetz und einen neuen Dorfplatz. Einerseits dient dieser mitten im Dorfzentrum als Raum für Begegnungen, andererseits ist er zu einem Ort geworden, der den bestehenden Schulanlagen, dem Gemeindehaus und der neuen Zentrumsbebauung mit ihren Einkaufsläden einen Zentrumscharakter verleiht. Gleichzeitig dient der neue Dorfplatz als Treffpunkt und hin und wieder als idealer Ort für Veranstaltungen.
Dichte
Die Zentrumsüberbauung wurde mehrheitlich auf dem Areal der ehemaligen Gärtnerei realisiert. Die früher existierenden Anbauflächen wurden durch den Bau von drei- bis viergeschossigen Wohnbauten relativ stark verdichtet. Weil das Areal in den Erdgeschossflächen teilweise zum Einkaufen öffentlich genutzt werden kann, weist es auch eine grössere Nutzungsdichte auf. Durch die Erweiterung des Versorgungsangebots und dank des neuen Dorfplatzes konnten auch die funktionale und die soziale Dichte im Dorfzentrum erhöht werden.
Qualität
Das bereits vor der Jahrtausendwende bestehende Dorfzentrum wurde durch die Ansiedlung zusätzlicher Versorgungs- und Dienstleistungsangebote sowie dank neuer Wohnungen mit vielfältigen Grundrissen gestärkt.
Der neue Dorfplatz und die daran anstossenden Institutionen wie die Bibliothek, die Schulanlage und das Gemeindehaus entstanden neue Begegnungsmöglichkeiten für die Bevölkerung. Da auf dem Platz verschiedentlich Veranstaltungen stattfinden, wurde der Platz funktional ausgestaltet und nur wenig begrünt und möbliert. Daher entfaltet er zwar gewisse Freiraumqualitäten, trägt aber sicher nicht zur Förderung der Biodiversität bei. Auch über die Qualität der Neubauten lässt sich streiten. Immerhin orientiert sich das Volumen der neu erstellten Wohnbauten an den umliegenden Bauten – insbesondere dort, wo einst Treibhäuser standen (Baubereich B).
Wirtschaftlichkeit
Die Bauten in den Baubereichen A und B wurden in einem Zuge erstellt. Sie beherbergen insgesamt 42 3,5- bis 5,5-Zimmerwohnungen, wobei 34 Wohnungen im Eigentum abgegeben und acht Wohnungen vermietet werden. Der Mietpreis für eine 3,5-Zimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 80 m2 beträgt rund 2000 Franken. Die Eigentumswohnungen wurden sowohl während als auch kurz nach der Bauphase verkauft. Als sie 2008 bezogen werden konnten, wurden keine Leerstände verzeichnet. In den Bestandesbauten der Baubereiche C und D werden ausschliesslich Mietwohnungen mit 1- bis 5,5-Zimmern angeboten.
Zusammenfassung
Das Langnauer Dorfzentrum zeichnet sich heute durch einen bunten Nutzungsmix aus. Sämtliche Nutzungen sind über kurze Wege erreichbar. Die neue Zentrumsbebauung und der Dorfplatz haben die Nutzungsdichte wie auch die funktionale und die soziale Dichte im Ortskern erhöht. Die Stärkung des Dorfzentrums und die hohe Akzeptanz für die Umgestaltung sind insbesondere dem Gemeinderat sowie dem Eigentümer des Garten-Centers zu verdanken. Letzterer hat sich als ortsansässiger Gewerbetreibender trotz seines Wegzugs für eine geordnete Arealentwicklung eingesetzt. Beide Parteien waren bestrebt, die Wünsche der Langnauer Bevölkerung im Vorfeld des Entwicklungsprozesses zu eruieren und in die Planung einfliessen zu lassen.
So mussten die am Projektwettbewerb teilnehmenden Architekturbüros ihr Augenmerk nicht nur auf die Schaffung von baulicher und gestalterischer Qualität legen, sondern auch zusätzliche Einkaufsnutzungen ansiedeln, deren reibungslose Erschliessung sicherstellen sowie den Dorfplatz adäquat gestalten. Mit der verbindlichen Verankerung der Qualitäten und Nutzungen sowie der Wünsche der Bevölkerung im Gestaltungsplan konnte sichergestellt werden, dass das Dorfzentrum heute in der Langnauer Bevölkerung eine hohe Akzeptanz geniesst.
Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse
- Das Innenentwicklungsprojekt hat einen substanziellen Beitrag zur Erhöhung der Nutzerdichte sowie zur funktionalen und sozialen Dichte im Dorfzentrum geleistet.
- Im Partizipationsprozess – der um die Jahrtausendwende stattfand und für diese Zeit als vorbildlich taxiert werden darf – konnten die Ideen der Bevölkerung zusammengetragen, aufgenommen und in die Planung integriert werden.
- Der neue Dorfplatz hat den Ortskern gestärkt, indem neue Nutzungen und Dienstleistungen gebündelt und ein Ort für Begegnungen geschaffen wurden.
Weiterführende Informationen
2004. Erläuterungsbericht zum privaten Gestaltungsplan Dorfzentrum Langnau am Albis. Gemeinde Langnau am Albis
2005. Privater Gestaltungsplan Dorfzentrum Langnau am Albis. Gemeinde Langnau am Albis.
2005. Bau- und Zonenordnung Langnau am Albis. Gemeinde Langnau am Albis.
2011. Wir Langnauer, 2/11. Amtsblatt der Gemeinde. Gemeinde Langnau am Albis
Stand der Bewertung durch EspaceSuisse: Dezember 2021