Ausgangslage
Bereits 1989 gab Monthey Studien in Auftrag, um zu eruieren, wie das Zentrum belebt und das Strassennetz neu strukturiert werden könnte.Die Zunahme des Verkehrs, insbesondere der Transitfahrten, führten in den vielen Einbahnstrassen der Stadt zunehmend zu Staus. Hinzu kam, dass der Zonenplan aus dem Jahr 2000 keine Vorschriften zur qualitätsvollen Gestaltung des öffentlichen Raums enthielt.
Die Studien führten 2005 zum Richtplan für die öffentlichen Räume im Stadtzentrum. Dieser hatte zum Ziel, das Zentrum in einen hochwertigen öffentlichen Raum umzugestalten. In diesem Kontext sollte unter anderem auch die Verkehrspolitik überprüft werden. Dabei galten die Grundsätze,
- den Zugang zum Stadtzentrum und zu seinen Geschäften zu verbessern,
- die Belästigungen durch den Durchgangsverkehr einzuschränken,
- Parkplätze zu verlegen und
- Tempobeschränkungen einzuführen.
Die neue Verkehrsstrategie basiert insbesondere auf drei grossen parallelen Achsen im Stadtzentrum. Dazu zählt die verkehrsberuhigte Petite Ceinture, die das Zentrum gegen Osten abgrenzt. Sie entstand aus den vier Strassen Rue du Marquisat, de la Tannerie, du Théâtre und de Fay, die zu einer Allee zusammengeschlossen und umgestaltet wurden. Die Avenue du Théâtre – so der offizielle Name der neuen Allee – ist in Tempo-20- und ‑30-Zonen unterteilt und wird in beide Richtungen befahren. Dank einer neuen Brücke über den Fluss Vièze verbindet sie das Stadtzentrum mit der Avenue du Simplon. So soll sie das Zentrum vom Nord-Süd-Verkehr entlasten, der regelmässig für Staus sorgt, und Begegnungszonen ermöglichen, in denen Fussgängerinnen und Fussgänger Vortritt haben. Die «kleine Ringstrasse» war auch namengebend für das Gesamtprojekt. 2014 wurde die erste Etappe der langen Umgestaltung des Stadtzentrums abgeschlossen, nachdem ein Rekurs vor Bundesgericht sie verzögert hatte.
Kennziffern
- Einwohnerzahl Monthey: 17’785 (2018)
- Arealgrösse: 32’000 m2 (aktuelle Arbeiten zur Umgestaltung der öffentlichen Räume)
- Investitionskosten: ca. 20 Millionen CHF
- Ausnützungsziffer (AZ): 1,5 bis 2,0
- ÖV-Güteklasse: B – gute Erschliessung
- Gemeindetypologie BFS: Städtische Gemeinde einer kleinen oder ausserhalb einer Agglomeration
Bewertung
Lage
Das Stadtzentrum beherbergt eine Vielzahl von Dienstleistungen, Geschäften und öffentlichen Einrichtungen, die sowohl lokale als auch regionale Bedürfnisse abdecken. Die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr ist gut: Nur zehn Gehminuten vom Bahnhof der Eisenbahn AOMC (Aigle–Ollon–Monthey–Champéry) im Stadtzentrum entfernt befindet sich der Bahnhof der SBB. Ausserdem verfügt die Stadt über ein dichtes Netz von Stadt-, Agglomerations- und Regionalbussen. In den letzten zwei Jahren verdoppelte sich das Angebot, dank einer neuen Ortsbuslinie im Zentrum.
Gemeinde
Der Gemeinderat legte mit dem Richtplan für die öffentlichen Räume im Stadtzentrum 2005 den Grundstein für das Umgestaltungsprojekt. 2012 verabschiedete die Gemeinde weitere Instrumente, etwa den Richtplan Innenentwicklung, das allgemeine Mobilitätskonzept und den Richtplan für Grünflächen. Auch sonst war Monthey aktiv: Im gleichen Jahr erwarb die Stadt die identitätsstiftende Villa Delaloye mitsamt ihrer grosszügigen Parkanlage. Weil die Parzelle der Liegenschaft an die Petite Ceinture anstösst, verortet der Richtplan Innenentwicklung dort Verdichtungspotenzial. Der Erwerb durch die Gemeinde bewahrte die Villa vor dem Abbruch. Unterdessen wurde sie renoviert und in Maison Blanche umbenannt; seit 2016 dient sie als Co-Working-Space. So lange die Gemeinde für die Parkanlage kein Verdichtungsprojekt erarbeitet, dient sie weiterhin als Erholungs- und Veranstaltungsort.
Eigentum
Die meisten öffentlichen Räume, die vom Umgestaltungsprojekt betroffen waren, befanden sich im Besitz der Gemeinde. Diese Tatsache erleichterte die Umsetzung der Arbeiten. Dagegen gehört die Mehrzahl der Parzellen mit Verdichtungspotenzial privaten Eigentümerinnen und Eigentümern. Sie sind es denn auch, die Bauprojekte lancieren und die Verdichtung vorantreiben. Mehrere Gebäude wurden bereits erstellt, andere werden gegenwärtig gebaut.
Prozess
Ende der 1990er-Jahre wurden in Diskussionen erstmals Prioritäten definiert, die für das Stadtzentrum gelten sollten. In der Folge wurde 2003 eine Kommission eingesetzt, um die Auflage des Richtplans für die öffentlichen Räume zu betreuen. Mitglieder des Gemeinderates (Exekutive), des Generalrates (Legislative), kommunale Dienststellenleiter sowie Vertreterinnen von Handwerk, Gewerbe und Geschäften, des Architektenkollegiums und des Tourismusbüros gehörten diesem Gremium an. Der Gemeinderat genehmigte den Richtplan 2006.
Das Umgestaltungsprojekt selbst (Mobilität, Parken, Fussgängerzonen, Grünflächen) wurde bzw. wird in mehreren Etappen umgesetzt – und betrifft den Perimeter zwischen der Avenue du Théâtre und der Vièze. Doch der Start der Arbeiten verzögerte sich: Zwei Gegner des Projekts hatten bis an das Bundesgericht rekurriert und sich vergebens gegen die Verkehrsplanungen der Gemeinde gewehrt. Die Arbeiten an der Petite Ceinture begannen später als vorgesehen erst im Jahr 2012. Die ersten beiden Etappen wurden 2016 fertiggestellt. Dann forderte das Gewerbe eine Verschnaufpause bzw. einen temporären Stopp der Bauarbeiten. Die dritte Etappe wurde im Frühling 2019 in Angriff genommen. Dabei wurde die Place du Comte Vert in einen Begegnungs- und Entspannungsort umgestaltet. Die vierte und letzte Etappe wurde 2021-2023 durchgeführt.
Dichte
Die Aufwertung des öffentlichen Raums soll dem Stadtzentrum nicht nur eine eigene Identität verleihen, sondern auch die Siedlungsentwicklung nach innen fördern. Der Richtplan Innenentwicklung identifiziert in diesem Sektor denn auch ein hohes Verdichtungspotenzial: Würden dort freie Parzellen bebaut und Einzelbauten von geringem architektonischem Wert ersetzt, könnten fast 800 zusätzliche Menschen aufgenommen werden. Zudem weist das Zentrum einen starken Nutzungsmix und eine gute Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr auf. Entsprechend beträgt die angestrebte Ausnützungsziffer 2,0.
Auch Aufstockungen und die Erweiterung gewisser Bauten sind vorgesehen; allerdings erweisen sich derartige Massnahmen aus denkmalpflegerischen Gründen oftmals als heikel in der Umsetzung. Dennoch schreitet der Verdichtungsprozess rasch voran. Mehrere Mehrfamilienhäuser wurden bereits erstellt, andere sind gegenwärtig im Bau.
Akzeptanz
Die Bevölkerung von Monthey erhielt 2008 die Gelegenheit, sich an vier Workshops zur geplanten Umgestaltung des Stadtzentrums einzubringen. In diesem Rahmen erfuhr das Projekt insgesamt viel Zuspruch, löste bei den Geschäftsinhaberinnen und ‑inhabern aber die Befürchtung aus, die Kundschaft würde durch die schrittweise Aufhebung der Parkplätze und die lang anhaltende Baustellensituation aus dem Stadtzentrum vertrieben.
Die Gemeinde zeigte Verständnis für diese Anliegen und investierte viel in die Kommunikation: Sie hielt die Bevölkerung per Amtsblatt auf dem Laufenden und berichtete an öffentlichen Informationsanlässen über den Fortschritt der Arbeiten. Zudem brachten die Behörden 2016 eine Informationskampagne ins Rollen, um auf die vielen Parkgelegenheiten aufmerksam zu machen, die sich rund um das Stadtzentrum befinden. Das Gewerbe, das seine durchwegs positive Haltung bewahrte, setzte ebenfalls auf Kommunikation. Es startete zu Beginn der dritten Bauetappe 2019 eine Werbekampagne, um Kundschaft und Gäste in die Stadt zu locken. Der witzige Slogan dazu lautete: «Monthey en chantier, commerces enchantés!» – auf Deutsch etwa: «Monthey am Bauen, Geschäfte zum Staunen!»
Der Richtplan Innenentwicklung, den die Behörden schon 2013 gutgeheissen hatten, wurde der Öffentlichkeit erst 2018 vorgestellt. Die späte Präsentation führte dazu, dass mehrere bereits angelaufene Planungen bei einem Teil der Bevölkerung auf Kritik stiessen: Es wurde beklagt, dass die Stadt «zubetoniert» werde und durch den Abriss von bestehenden Gebäuden zunehmend ihre Seele verliere. Dies führte der Gemeinde vor Augen, dass sie ihre raumplanerischen Instrumente besser zu erklären hatte und dass sie aufzeigen musste, wie die Stadt verdichten und zugleich eine hohe Lebensqualität bewahren konnte. Vor Kurzem hat Monthey nun damit begonnen, ein Inventar seines baulichen Erbes zu erstellen, um die schützenswerten Bauten zu definieren.
Wirtschaftlichkeit
Die Umgestaltung des Stadtzentrums hat bis anhin fast 20 Millionen Franken gekostet. Dieser Betrag ist angesichts des Umfangs des Projekts und der Mehrwerte, die es der Bevölkerung hinsichtlich Mobilität und Qualität der öffentlichen Räume bringt, gerechtfertigt. Monthey ist zudem das wichtigste urbane Zentrum des Unterwallis – einer Region, die aufgrund des Immobiliendrucks im Genferseebogen das stärkste Wachstum im Kanton aufweist.
Der Bau neuer Wohnungen im Stadtzentrum entspricht somit einem klaren Bedürfnis. Dies umso mehr, als die Stadt innerhalb ihres bestehenden Perimeters wachsen will. Aktuell sind Angebot und Nachfrage in etwa ausgeglichen. Die Gemeinde plant keine neuen Bauten auf ihren Parzellen.
Qualität
Die ersten drei Etappen der Neugestaltung des öffentlichen Raums zeugen von dem Bemühen um Qualität.
Bei Neubauten ist ein Teil der Nutzfläche – insbesondere im Erdgeschoss – gewerblichen Nutzungen und Dienstleistungen vorbehalten und die Parkplätze sind unterirdisch zu erstellen. In grossen Teilen des Stadtzentrums sollen neue Begegnungs- und Tempo-30-Zonen den Fussgängerinnen und Velofahrern Priorität einräumen. Im Zusammenhang mit dem Umgestaltungsprojekt wurden punktuell neue gedeckte Velounterstände angelegt. Dagegen wurden zahlreiche Parkplätze aufgehoben. Parkplätze am Strassenrand gibt es weiterhin, doch sind sie in erster Linie für die Kundschaft der Geschäfte bestimmt. Progressive Parkgebühren fördern das Kurzzeitparkieren. Dafür entstanden mehrere Tiefgaragen und Parkhäuser weniger als fünf Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt.
Zur Stärkung der Identität des Stadtzentrums sieht das Projekt eine einheitliche Behandlung der städtischen Möblierung, der öffentlichen Beleuchtung, der Signalisation und der Bepflanzung mit Bäumen vor. Je nach Lage im Stadtzentrum wurden unterschiedliche Bodenbeläge unterschiedlich eingesetzt: Pflastersteine finden sich im historischen Zentrum, bitumenhaltiges Mischgut im übrigen Fussgängerbereich. Die mineralische Gestaltung lässt der Natur allerdings weniger Platz als wünschenswert wäre. Entlang der Strassen sollen Bäume gepflanzt werden: Deren Baumscheiben wirken zwar ästhetisch, sind aber der Biodiversität wenig zuträglich. Teilweise wurden die Bäume komplett eingetopft. Ein bewussterer Einbezug der Natur in künftige städtische Projekte würde zweifellos einen Mehrwert schaffen.
Stand im Jahr 2024
Bei den jüngsten Neugestaltungen wird der Natur ein viel grösserer Platz eingeräumt, was sich in der Breite der unversiegelten Flächen widerspiegelt.
Die Verstärkung der Begrünung und die Verbesserung der Qualität der Beläge (Versickerung/Entsiegelung) sollten mit der Überarbeitung des Flächennutzungsplans (PAZ) fortgesetzt werden. Dieser wird einen Qualitätsindex enthalten, der es ermöglicht, das bestehende Landschaftsnetz zu stärken. Dieser Qualitätsindex zielt insbesondere darauf ab, den privaten Raum für gemeinnützige Zwecke zu gestalten, indem private Eigentümer dazu angehalten werden, den Strassenraum zu bepflanzen.
Die Initiativen in Monthey werden immer zahlreicher. Auf der Grundlage einer privaten Initiative wurden 2021 zwei Workshops zur Aufwertung der Umgebung des Flusses Vieze veranstaltet. Die Neugestaltung wurde zunächst durch provisorische Einrichtungen getestet. Das zuständige Kollektiv, das die Initiative ins Leben gerufen hatte, konnte die Stadt überzeugen, was zur Entsiegelung der Umgebung des "P'tit Théâtre de la Vièze" und zur Eröffnung einer partizipativen Buvette führte. Die Buvette wird von der Jugendarbeit der Stadt verwaltet. Diese kümmert sich um die Rekrutierung von Vereinen, die den ganzen Sommer über die Buvette betreiben. Auf diese Weise wird das lokale Engagement gefördert.
Zusammenfassung
Die Gemeinde, die ursprünglich ihr Strassennetz im Stadtzentrum neu strukturieren wollte, stiess stattdessen einen aufwändigen Prozess der Zentrumsbelebung an. Sie nahm eine umfassende Richtplanung vor, sodass ihr Ziel schliesslich nicht mehr nur darin bestand, die Verkehrsprobleme zu lösen, sondern auch eine eigene Identität für das Stadtzentrum zu schaffen und dem Fussverkehr mehr Bedeutung beizumessen. Und am Ende sollte die Aufwertung der öffentlichen Räume auch die Siedlungsentwicklung nach innen fördern und gleichzeitig die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner bewahren.
Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse
- Die Gemeinde hat mehrere sachbezogene Richtpläne erarbeitet, um sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen und ein hochwertiges Projekt umzusetzen.
- Die Aufwertung betrifft das gesamte Stadtzentrums und entlastet dieses teilweise vom Verkehr, um den Fussgängerinnen und Fussgängern wieder den Vortritt zu überlassen.
- Die Bevölkerung wurde in die Umgestaltung des Stadtzentrums einbezogen, was zu mehr Akzeptanz führte. Hilfreich war insbesondere, dass die Gemeinde eingehend über die verschiedenen Etappen informiert hat.
Weiterführende Informationen
- 2005. Plan directeur des espaces publics du centre-ville de Monthey. Alpa. Monthey.
- 2012. Plan directeur de densification. Team+. Monthey.
- 2012. Plan directeur des espaces verts. In Situ. Monthey.
- 2013. Plan directeur de mobilité. Team+. Monthey.
- 2019. Un centre-ville réaménagé. MontheyMaVille n° 39 de mars 2019. Monthey.
- 2020. Imaginer un nouvel espace au bord de la Vièze. Le Nouvelliste.
Stand der Bewertung: Oktober 2020, aktualisiert im Juni 2024