
In den Garagen des Erdgeschosses ist eine (andere) gastronomische Zwischennutzung eingemietet.
Foto: Verein VSR
Eckpunkte der Zwischennutzung in Kammgarn West
- Adresse: Baumgartenstrasse 23, 8200 Schaffhausen.
- Eigentümerin: Stadt Schaffhausen.
- Verwaltung: selbstverwaltet.
- Lage: Zentral, ca. 500m vom Bahnhof, Karte.
- Arealfläche: ca. 1'900 m2 (kein Aussenraum).
- Nutzfläche: ca. 1600m2.
- Struktur: Räume im 1. Obergeschoss mit 25-130 m2 plus zwei grosse Räume.
- Nutzung ehemals: Spinnerei, anschliessend als «Hallen für Neue Kunst» .
- Zwischennutzungen: Ateliers für Künstler und Kreativwirtschaft, Ausstellungs- und Aktionsraum.
- Dauer: 3 Jahre.
- Transformation: Umwandlung geplant in Bibliothek, Ludothek, Räume für Kultur und Innovation und ein gastronomisches Angebot. Autofreie Neugestaltung des Kammgarnhofes.
- Besonderes: Vorfinanzierung des Umbaus durch die Stadt.
- Entstehung der Zwischennutzung: Aufruf der Stadt Schaffhausen.

Die Vorgeschichte
Die Kammgarn ist ein Schlüsselareal der Stadt mit einer langen Geschichte als Industrie- und Kunstraum. Die letzte Spinnerei-Betreiberin, die Schöller Texil AG, stellte den Betrieb 1979 ein. 1982 konnte die Stadt Schaffhausen das nahezu 10 000 Quadratmeter umfassende Kammgarnareal inklusive Bauten für fünf Millionen Franken kaufen, noch ohne dass ein Nutzungskonzept vorgelegen hätte. Schnell fand sich eine erste Nachnutzung: Der Künstler Urs Raussmüller fragte die Stadt, ob die ehemaligen Fabrikräume für moderne Kunst genutzt werden könnten. Daraufhin wurde eine Stiftung gegründet. Die Stadt stellte ihr den Westflügel zur Verfügung; und 1984 eröffnete die Stiftung darin die «Hallen für Neue Kunst».
Juristische Schwierigkeiten beendeten 2014 diese Nutzung. Damit verlor die Stadt eine Visitenkarte von Weltniveau (NZZ 6.6.2014). Ohnehin waren schon andere Räume der Liegenschaft jahrelang brach gelegen. Um auch für sie eine Nutzung zu finden, hatte sich schon 1995 eine IG Kammgarn gebildet, eine Genossenschaft mit rund 300 Mitgliedern. Sie mietete ab 1997 als Trägerorganisation des «Kulturzentrums Kammgarn» zwei Stockwerke. Darin beheimatet sind noch heute eine Aktionshalle, die mit einem breiten, international ausgerichteten Programm Erfolge feiert, sowie eine Beiz, der Musikraum «TapTab» und die sogenannte Kunsthalle «Vebikus». Diese Institutionen sind wichtige Stützen des Schaffhauser Kulturplatzes; sie erzielen eine jährliche Wertschöpfung von rund 4,5 Millionen Franken.

Zwischennutzung im Westflügel statt Leerstand
Der Westflügel blieb lange leer und ungenutzt. Dann entschied der Schaffhauser Stadtrat, diesen Gebäudeteil sowie den 4'500 Quadratmeter umfassenden Hof des Ensembles zu sanieren und neu zu entwickeln (SRF-News von 11.2017). Das Nutzungslayout sieht einen «ausgewogenen Nutzungsmix» vor: Bibliothek, Ludothek sowie gastronomisches Angebot; zudem sollen Räume für das Museum zu Allerheiligen geschaffen werden, ebenso für eine Vermietung an Akteure aus Kultur. In den oberen Stockwerken ist eher eine wirtschaftliche Nutzung mit innovativen Unternehmen oder Bildungseinrichtungen geplant (Medienberichte zum Nutzungskonzept 2015, Anpassung 2019).
Die Bauarbeiten können frühestens 2021 beginnen. Deshalb hat der Stadtrat eine Zwischennutzung erwogen, um einen weiteren Leerstand zu vermeiden und eine Belebung einzuleiten.
Nach einem Aufruf der Stadt im Juni 2017 gründeten einige kulturaffine Personen den «Verein für sinnvolle Raumnutzung» (VSR) und unterbreiteten der Stadt ein Konzept für eine Zwischennutzung im ersten Obergeschoss des Westflügels. Dieses Konzept mündete – nach einiger Überzeugungsarbeit und mit Support des Kulturbündnisses und des Architekturforums sch-ar-f – schon nach zwei Monaten in einen Mietvertrag zwischen der Stadt und dem VSR, der auf drei Jahre befristet wurde (Januar 2018 - Dezember 2020).

Foto: Matthias Bürgin
Grosszüge Räume für Kreativität
Das Projekt ist noch jung. Die Eröffnung der Zwischennutzung im Obergeschoss des Kammgarn-Westflügels war im April 2018. Auf rund 1'600 Quadratmetern sind 13 Ateliers oder Büros von je 25 bis 130 Quadratmetern Grösse entstanden; dazu kommt ein 300 Quadratmeter grosser Aktionsraum. Der Eingangsbereich (rund 300 Quadratmeter) dient als Ausstellungsraum. Weiter gibt es einen Raum mit Bar, der als Treffpunkt dient; jedoch wird keine regelmässige Gastronomie betrieben.
Das selbstverwaltete Projekt soll primär als Arbeitsort für rund 20 Kunstschaffende und andere kreative Akteure dienen. Die Publikumsorientierung beschränkt sich auf vier öffentliche Events pro Jahr. Der VSR möchte sich zudem Anerkennung verschaffen, um weitere Leerstände in der Stadt Schaffhausen bespielen zu können.



Innovatives Finanzierungskonzept
Das 1. Obergeschoss, in dem der VSR nun die Zwischennutzung organisiert, musste zuvor umgebaut werden. Dies konnte der VSR nicht selber finanzieren. Die Stadt und der Verein fanden eine innovative Finanzierungslösung: Die Nettomiete für die geplanten drei Jahre Zwischennutzung beträgt soviel, wie für die Renovation des Stockwerks ausgegeben wird – also maximal 100'000 Franken, aktuell rechnet der Verein mit rund 65'000 Franken (vgl. VSR-Dossier auf Website oder unten als PDF). Diese 65'000 Franken leistete die Stadt als Vorschuss. Bei einer Untervermietung ohne Gewinnabsicht ergeben sich daraus Untermieten von 85 bis 120 Franken pro Quadratmeter und Jahr (inklusive Nebenkosten).
Damit kann auch eine Teilzeit-Koordinationsstelle geschaffen werden. Kurz vor der Eröffnung von Kammgarn-West teilte die Stadt zudem mit, dass sie einer zweiten Zwischennutzung im selben Gebäude zugestimmt hat: In den Garagen im Erdgeschoss kann sich ein privater Gastronom auf fast 800 Quadratmetern kulturell und gastronomisch betätigen; vorgesehen sind Disco-Parties, Food-Festivals, Flohmärkte und Ausstellungen (vgl. Medienbericht).

Foto: Matthias Bürgin

Foto: Matthias Bürgin
Fazit: Es ist vorauszusehen, dass die Zwischennutzung in Kammgarn-West die städtische Entwicklung von Schaffhausen wesentlich beeinflussen wird; etwa indem weitere Leerstände nach diesem Prinzip zwischengenutzt werden, oder indem die Zwischennutzung Impulse für die zukünftige Nutzung dieses Gebäudes und des Hofes liefert.