Ein Einkaufszentrum beschert der Stadt Porrentruy einen öffentlichen Platz

Das Einkaufszentrum Esplanade in Porrentruy steht im Herzen der jurassischen Stadt auf einer ehemaligen städtischen Brache, die im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) aufgeführt ist. Die Lage ist optimal für Kunden aus der gesamten Region. Neben Läden befinden sich hier auch Büros und Wohnungen. Im Zusammenspiel mit der Strasse bildet der Gebäudekomplex einen öffentlichen Platz, der zu einem beliebten Treffpunkt im Stadtzentrum geworden ist. Der nahegelegene Bach wurde im gleichen Zug mit der Erstellung des Einkaufszentrums renaturiert. Die «Esplanade» ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Gemeinde und der Bauherrschaft und eines langen Planungsprozesses.
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Das Einkaufszentrum Esplanade in Porrentruy bewertet von EspaceSuisse nach der Methode «IRAP Kompass Innenentwicklung».

Der Migros-Supermarkt in Porrentruy war seit Jahrzehnten auf mehreren Etagen in einem Gebäude in der Vorstadt St-Germain zwischen der Altstadt und dem Bahnhof von Porrentruy einquartiert. Im Laufe der Zeit wurde die Einkaufsfläche im Dachgeschoss und im angrenzenden Gebäude erweitert. Die Raumaufteilung war für die Kundschaft unbefriedigend, zudem fehlte es an Ausbaumöglichkeiten.

2008 fand die Migros einen Investor, der auf der gegenüberliegenden Strassenseite auf einer bis anhin als Parkplatz genutzten grossen städtischen Brache ein Grossprojekt für ein neues Einkaufszentrum plante.. Ein Architekt hatte dort ein erstes Projekt entwickelt, doch die für ein Parkhaus und die Geschäfte benötigte Fläche sprengte die Dimensionen des Grundstücks. Für den Zugang zur Tiefgarage hätte zudem ein Tunnel unter der Kantonsstrasse gegraben werden müssen. Der Entwurf sah eine Auskragung vor, was den Blick auf die ISOS-geschützte Altstadt versperrt hätte und zu Einsprachen geführt hat. Erst ein zweiter Entwurf erfüllte sowohl in Bezug auf die Bodennutzung als auch die Integration ins Ortsbild die Voraussetzungen für einen Konsens.

Kennziffern

  • Einwohnerzahl: 6’400 Einwohnerinnen und Einwohner
  • Arealgrösse: 5'500 m2
  • Investitionskosten: 60 Millionen Franken
  • Ausnützungsziffer AZ: 2,3
  • Wohneinheiten WE: 21
  • Arbeitsplatzpotenzial: 200 Beschäftigte
  • Einwohnerpotenzial: 50 Personen
  • Bruttogeschossfläche: 12'550 m2
  • Parkplätze: 1.5 Plätze/WE
  • ÖV-Güteklasse: B - gute Erschliessung
  • Gemeindetyp BFS: Städtische Gemeinde einer kleinen oder ausserhalb einer Agglomeration

Bewertung

Lage

Die Lage des Einkaufszentrums im Stadtzentrum, direkt gegenüber dem Coop und nahe bei den Läden in der Altstadt, ist optimal. Das Zentrum lässt sich bequem zu Fuss oder mit dem Velo über die Begegnungszone der Altstadt erreichen. Auch vom Bahnhof her, der nur 500 Meter weit entfernt ist, führt ein Fuss- und Veloweg ins Zentrum. Die Bus-Haltestelle befindet sich direkt vor dem Eingang des Komplexes, der zudem über 185 Parkplätze verfügt. 30 Plätze sind für die Bewohner des Hauses reserviert. Die nächste Autobahnausfahrt ist nur 1,5 km entfernt, was das Einkaufszentrum auch zu einem beliebten Einkaufsziel für die 18’000 Einwohnerinnen und Einwohner der umliegenden Dörfer des Bezirks macht.

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Lage des Einkaufszentrums Esplanade in Porrentruy.
Quelle: Bundesamt für Landestopographie swisstopo

Gemeinde

Die Gemeinde spielte eine aktive Rolle bei der Entwicklung des Projekts. Sie handelte mit der Bauherrschaft aus, dass für die Bevölkerung ein öffentlicher Platz vor dem Einkaufszentrum geschaffen wird, der aus einem Teil des Privatgrundstücks und der ehemaligen Strasse besteht. Gleichzeitig wurde verlangt, dass der Zugang zur privaten Tiefgarage rund um die Uhr gewährleistet bleibt. Dies ist insbesondere für die Besucher der Altstadt sehr praktisch. Die Gemeinde wiederum konnte die Zahl der Parkplätze im historischen Zentrum von Porrentruy reduzieren. So entwickelt sich die Altstadt allmählich zu einer Begegnungszone.

Im Gegenzug erhielt die Bauherrschaft die Möglichkeit, auf einem Teil des Grundstücks dichter zu bauen, als es die städtische Bauordnung vorsah. Die Tiefgarage konnte zudem unter öffentlichem Grund gebaut werden, was den Aushub für ein zweites Untergeschoss für die Parkgarage erübrigte. Die Gemeinde wiederum nutzte die Ausarbeitung des Sondernutzungsplans, um die Ufer des Bacavoine-Bachs im Norden des Platzes neu zu gestalten. Dieser Bach war zuvor eingedolt..

 

Eigentum

Das erste Projekt wurde von einem einzigen Investor getragen und tangierte nur zwei Grundstücke. Es fehlten jedoch einige Quadratmeter, um das geplante Bauvorhaben zu realisieren. Zudem ragte dieses mit einer Auskragung auf den öffentlichen Grund hinaus und versperrte so die Sicht auf den charakteristischen Anblick der Altstadt von Porrentruy. Neben diesem störenden Faktor für das Ortsbild wäre überdies der Bau eines Zugangstunnels zur Tiefgarage unter der Kantonsstrasse nötig gewesen, inklusive Zugangsrampen entlang des Friedhofs der denkmalgeschützten Kirche.

Um ein einheitlicheres und kompakteres Projekt zu realisieren, entschieden sich die Akteure für eine andere Lösung: den Kauf von zwei alten kleinen ISOS-geschützten Reihenhäusern, die sich in einer Ecke der Häuserzeile befanden. Das kantonale Amt für Kultur gab seine Zustimmung zum Abriss der beiden Häuser, da dieser aus städtebaulicher Sicht eine bessere Gesamtlösung ermöglichte. Die Verhandlungen mit einem der Eigentümer erwiesen sich jedoch als schwierig und verzögerten die Umsetzung des Gesamtprojekts um zwei Jahre.

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Die Silhouette des Zentrums Esplanade...
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...ist in der Gebäudestruktur von Porrentruy deutlich erkennbar.
Quelle: Orthofoto Swisstopo 2011/2014.

Prozess

Die Gemeinde führte keinen partizipativen Prozess durch, organisierte jedoch Informationsabende für die Bevölkerung. Die Änderung der Nutzungsdichte wurde 2009 von der Bevölkerung trotz Einsprachen von Nachbarn in der Abstimmung über den neuen Nutzungsplan gutgeheissen. Daraufhin wurde ein Sondernutzungsplan ausgearbeitet, der die Gestaltung des Platzes und die Infrastruktur offiziell festlegte. Er wurde 2011 vom Kanton ohne jeglichen Einwand genehmigt.

Durch den Bau des neuen Einkaufszentrums wurden die Räumlichkeiten der ehemaligen Migros frei. Sie werden nun vollständig umgebaut. In dem Gebäude ist ein Gesundheitszentrum mit 45 neuen Alterswohnungen für betreutes Wohnen geplant. Ein entsprechender Sondernutzungsplan wurde 2021 verabschiedet. Dieser sieht auch die Erweiterung des benachbarten Parks Les Bennelats vor.

Akzeptanz

Der erste Entwurf stiess auf Widerstand. Grund war die starke Verdichtung, aber auch die durch die geplante Auskragung verbaute Sicht auf die Altstadt. Der zweite Entwurf genoss seitens der Bevölkerung eine deutlich höhere Akzeptanz. Er bietet den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt zahlreiche Vorteile: ein öffentlicher Platz als Begegnungszone, der Zugang zum Ufer des renaturierten Bachs über Treppenstufen und eine rund um die Uhr zugängliche Tiefgarage. Die Anpassung des kommunalen Nutzungsplans zur Erhöhung der Baudichte wurde in einer Volksabstimmung mit grosser Mehrheit angenommen.

Dichte

Das Projekt hat die bauliche Dichte in diesem strategisch wichtigen Bereich des Stadtzentrums zwischen der Altstadt und dem Bahnhof wesentlich erhöht. Die Ausnützungsziffer stieg von 0,2 (zwei Häuser neben einer grossen urbanen Brache) auf 2,3 (ohne Berücksichtigung der Tiefgarage). Gleichzeitig wurde auch die Nutzungsdichte mit einem breiten Funktionsmix erhöht: Statt zwei Wohnhäuser und einem Geschäft sind nun drei Supermärkte (Migros, Denner und Aldi), kleinere Läden, ein Café, ein Fitnessstudio, eine Arztpraxis, Büros und 21 Wohnungen unter einem Dach vereint.

Zwischen der Esplanade (links) und der ehemaligen Migros (rechts) fliesst der Bacavoine. Die neu angelegten Treppen laden dazu ein, zu verweilen und die Füsse ins Wasser baumeln zu lassen. Bild: Sonia Veckmans

Wirtschaftlichkeit

Als Folge des Strukturwandels mussten die Erwartungen an die Wirtschaftlichkeit der Ladengeschäfte nach unten korrigiert werden. Bei Projektbeginn hoffte der Bauherr von der Schwäche des Schweizer Frankens zu profitieren, um neben der regionalen Kundschaft auch Kunden aus Frankreich in diesen neuen Konsumtempel zu locken. Leider hat der Wechselkurs dann aber das Gegenteil bewirkt und den Einkaufstourismus in Frankreich angekurbelt.

Auch der Onlinehandel hat etliche Konsumenten von den traditionellen Einkaufszentren abgezogen. Mehrere Flächen standen in den ersten fünf Jahren leer. Aldi hatte zunächst einen eigenen Supermarkt geplant, verzichtete dann allerdings darauf und bezog das Obergeschoss des Zentrums Esplanade, direkt über der Migros. Wohnungen und Büros fanden hingegen problemlos Abnehmer.

Zwischen der Esplanade (links) und der ehemaligen Migros (rechts) fliesst der Bacavoine. Die neu angelegten Treppen laden dazu ein, zu verweilen und die Füsse ins Wasser baumeln zu lassen. Bild: Sonia Veckmans
Das Einkaufszentrum ist dank seiner zentralen Lage und der Begegnungszone mit allen Verkehrsmitteln leicht zu erreichen. Bild: Sonia Veckmans

Zusammenfassung

Mit der Realisierung des Zentrums Esplanade wurde eine ehemalige Brache im Zentrum der Kleinstadt Porrentruy in einen sehr dichten und lebendigen Ort verwandelt. Er bietet Platz für neue Läden, Büros und Wohnungen und mit der Esplanade auch einen öffentlichen Platz sowie einen öffentlichen Zugang zum Wasser. Ermöglicht wurde dies durch die Gemeinde, den Kanton und die Bauherrschaft, die gemeinsam die vorhandenen Spielräume nutzten und sich gegenseitig Zugeständnisse machten, um das Vorhaben zu optimieren. So wurde insbesondere der Einbau der privaten Tiefgarage unter öffentlichem Grund, der Abriss von zwei ISOS-geschützten Häusern und der uneingeschränkte Zugang zur privaten Tiefgarage für die Bevölkerung ermöglicht.

Das Projekt hat auch über den Perimeter des Sondernutzungsplans hinaus Impulse gegeben. So wurde der Bach freigelegt; die Bevölkerung hat nun über Treppenstufen Zugang zum Wasser. In der ehemaligen Migros-Filiale werden Alterswohnungen realisiert und die umliegenden Strassen werden zu Begegnungszonen umgestaltet. Das Zentrum Esplanade hat als Katalysator gewirkt: Das gesamte Viertel der Vorstadt St-Germain profitiert von einer höheren Lebensqualität.

Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse:

  • Dank einer pragmatischen Lösung konnte ein Grossverteiler in Porrentruy gehalten und ein weiterer ins Stadtzentrum geholt werden.

  • Die Umnutzung einer städtischen Brache ermöglichte eine grössere bauliche Dichte und eine gemischte Nutzung.

  • Eine öffentlich-private Partnerschaft (Public-Private-Partnership) führte zu einer Win-win-Situation sowohl hinsichtlich der Erstellung der Tiefgarage als auch des darüberliegenden öffentlichen Raums.

  • Der Sondernutzungsplan erlaubte Synergien beim Hochwasserschutz, der Renaturierung und dem Zugang zum Bach.

Weiterführende Informationen

  • 2011 Sondernutzungsplan Esplanade, Gemeinde Porrentruy.
  • 2014 Esplanade Zentrum, Wohn- und Geschäftskomplex, Architectes.ch, Renens.
  • 2021 Sondernutzungsplan Place des Bennelats, Gemeinde Porrentruy.

Das Beispiel «Porrentruy Esplanade» als PDF herunterladen

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