Eine wahrlich grenzüberschreitende Planung

Seit über vier Jahren hat Basel eine neue Rheinuferpromenade. Die Fuss- und Veloverbindung führt von der Dreirosenbrücke bis an die Landesgrenze. Dort ist aber nicht Schluss: Fast nahtlos zieht sich der Rheinuferweg St. Johann–Huningue bis ins Zentrum der französischen Nachbargemeinde. Das im wahrsten Sinne des Wortes grenzüberschreitende Projekt war ein zentraler Baustein der Neunutzung des Hafens St. Johann. Das Ergebnis lässt sich sehen – doch es ist erst der Anfang.
Rémy Rieder Geograf, EspaceSuisse

Langsam nimmt die Vegetation die Rheinuferpromenade in Beschlag. Am Fuss der Böschung wachsen Weiden auf steinernen Verbauungen in den Rhein hinaus. Zwischen ihren Wurzeln gedeiht eine dichte Vegetation, während in den Ritzen der steilen Ufermauern Pionierpflanzen spriessen. Auf dem Bermenweg, nahe am Wasser, sieht man immer öfters Sonnenbaderinnen und Rheinschwimmer. Und leicht oberhalb auf dem Promenadenweg, der eigentlichen Fuss­ und Veloverbindung, flitzen E­Bikes Richtung Stadtzentrum oder Frankreich. Die Rheinuferpromenade hat ihren Platz im Stadtbild gefunden. Das brauchte Zeit.

Kennwerte der Rheinuferpromenade St. Johann (als Teilstück des Rheinuferwegs)

  • Gesamtfläche: 15’000 m2
  • Länge: ca. 550 m
  • Breite: 10 bis 30 m
  • Zu überwindende Höhendifferenz: 10 m
  • Projektkosten: rund 27 Millionen CHF

Wer von der Rheinuferpromenade spricht, meint meist die auffallende Konstruktion aus Kalkstein, zwischen dem Campus der Novartis Pharma AG in Basel und dem Rhein. Ihr Ursprung geht zurück ins Jahr 2002. Vor knapp zwanzig Jahren entschied der baselstädtische Regierungsrat, den Hafen St. Johann aufzugeben und sein Areal neu zu nutzen. Das Projekt stockte schon bald: Zu kostspielig war es, die vorzeitig aufzulösenden Baurechte zu entschädigen, den Bestand rückzubauen, die Altlasten zu beseitigen, archäologische Grabungen durchzuführen und letztlich das Rheinufer neu zu gestalten. 

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Wenig einladend: der alte Hafen St. Johann.
Foto: Planungsamt Basel­Stadt

Auf umstrittene Vereinbarung folgt kooperative Planung

Eine glückliche Fügung brachte nach drei Jahren Stillstand wieder Bewegung ins Projekt. Die Novartis hatte bereits im Jahr 2001 beschlossen, ihre zwei an den Hafen St. Johann angrenzenden Areale zu einem nicht öffentlichen Campus zu verbinden und dort Forschung, Entwicklung, Marketing und Verwaltung zu konzentrieren. Die damaligen Novartis-­Areale eigneten sich dafür jedoch nur bedingt: Sie wurden durch die öffentlich zugängliche Hüningerstrasse voneinander getrennt, waren durch Gleisanlagen begrenzt und die räumlichen Verhältnisse waren zu eng.

Unter diesen Vorzeichen schlossen der Kanton Basel­-Stadt und die Novartis 2005 eine umstrittene Grundsatzvereinbarung zur städtebaulichen Entwicklung rund um die Novartis-­Areale ab. Das Kernstück: Der Pharmakonzern erwirbt vom Kanton den Hafen St. Johann und einen Teil der damit privatisierten Hüningerstrasse für 100 Millionen Franken. Im Gegenzug übernimmt Novartis die Kosten des Wettbewerbsverfahrens für die Neugestaltung des Rheinufers, das im Besitz des Kantons bleibt.
Der Kanton plante, mit den 100 Millionen Franken die bisher zu kostspielige Neunutzung des Hafens voranzutreiben. Die Privatisierung des öffentlichen Grunds löste in der Bevölkerung wenig Begeisterung aus. Dennoch erkannten die meisten Baslerinnen und Basler die langfristigen positiven Auswirkungen der Vereinbarung. Die Zustimmung des Kantonsparlaments markierte Anfang 2006 den Startschuss für den Bau der künftigen Promenade.

Wettbewerb mit rund sechzig Teams

Die Neugestaltung des 550 Meter langen Abschnitts erfolgte in einer kooperativen Planung zwischen dem Pharmakonzern und dem Kanton. Die Novartis übernahm die Federführung und finanzierte das Verfahren. Der Kanton Basel­Stadt wiederum trug die Kosten für die Ausführungsplanung und die Umsetzung. In einem zweistufigen Wettbewerb reichten 2006 knapp sechzig Teams ihre Visionen für die Neugestaltung ein. Der Ausschuss des paritätisch besetzten Preisgerichts wählte 15 davon für die zweite Stufe aus. Die eingereichten Projekte überzeugten die Jury nicht restlos, so dass kein Siegerprojekt gekürt wurde. Stattdessen beschloss die Jury, in einem Studienauftrag drei Projekte weiterbearbeiten zu lassen. Im Frühjahr 2007 entschied sie sich schliesslich für das Projekt «Undine» eines Zürcher Teams. 

Der Reihnuferweg verbindet Basel mit Huningue. Quelle: Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Raum für Biker, Bieber und Blumen

Schon vor dessen Zustimmung bat die Bau­ und Raumplanungskommission des Kantonsparlaments den Regierungsrat, er möge sich für eine möglichst grosszügige Grün­ und Freiraumverbindung einsetzen, die auf französischem Boden bis nach Huningue weiterführt. Entsprechend wurde beim Ausführungsprojekt ein Augenmerk auf die Ökologie gelegt. So ist die Rheinuferpromenade nicht nur eine Langsamverkehrsachse für Spaziergänger und Velofahrerinnen, sondern auch Teil eines Vernetzungskorridors für Tiere und Pflanzen.

Um beispielsweise einen Beitrag an die Vernetzung der Biberpopulationen aus dem Elsass und der Schweiz zu leisten, wurden zwei Biberunterstände erstellt. Die Natursteinmauer erlaubt es Eidechsen und anderen trockenheitsliebenden Arten, in den eigens dafür erstellten Nischen und Ritzen Lebensräume zu finden. Eine standortgerechte Ufervegetation gedeiht an den Uferböschungen und auf den vier steinernen Verbauungen im Wasser.

Gemeinsam über Grenzen planen

Aber eben: Auch die Menschen sollten über die Grenzen hinweg besser vernetzt werden. Dass dies gelang, ist zu grossen Teilen der Internationalen Bauausstellung IBA Basel zu verdanken. Die IBA setzt sich seit ihrer Gründung 2010 für eine internationale Projektkoordination im trinationalen Raum ein (siehe Interview mit IBA­-Geschäftsführerin Monica Linder­Guarnaccia). Die IBA Basel trug die Idee des verlängerten Rheinuferwegs nach Frankreich wesentlich mit. Dank des regelmässigen Austauschs zwischen der IBA, der Ville de Huningue, dem Kanton Basel­-Stadt und Novartis nahm der Abschnitt des Rheinuferwegs in Huningue, die «voie verte», rasch Form an.

Im April 2016 wurden die Rheinuferpromenade St. Johann und die «voie verte» gemeinsam als Rheinuferweg St. Johann-Huningue eingeweiht. Als erstes Projekt überhaupt wurde es mit dem IBA­Label ausgezeichnet. Es honoriert die Bemühungen der beteiligten Städte und Akteure, über Grenzen hinweg zu planen.

Viele Ansprüche abgedeckt

Das Ergebnis kann sich sehen lassen – und deckt viele Ansprü­che ab. Die hübsch gestaltete Rheinuferpromenade hält auf Schweizer Seite zwei asphaltierte Wege bereit: Den Promenadenweg und den Bermenweg. Letzterer verläuft nur wenig oberhalb des Wasserspiegels, erlaubt damit den Zugang zum Rhein und dient primär der Erholung und Freizeit. Darüber liegt der in Wellenlinien verlaufende, hochwassersicher Promenadenweg, der zum Basisnetz der kantonalen Velorouten gehört. Mit vier Metern Breite bietet er genug Raum für Velofahrerinnen und Fussgänger. Alle paar Dutzend Meter öffnen sich Nischen in der Ufermauer, wo wellenförmige Holzbänke im Schatten junger Bäume Erholung bieten. Auch ein Einblick in die Vergangenheit ist möglich: «Archäoskope» visualisieren die archäologischen Grabungsarbeiten an der bedeutenden keltischen Siedlung, die einst hier stand.

In Huningue wiederum ist die «voie verte» – wohl aus bau und finanztechnischen Gründen – etwas pragmatischer ausgefallen. Zwei Meter breit und asphaltiert führt der Weg zuerst schnurstracks an der Industriezone vorbei, dann über einen neuen, ziegelrot gefärbten Metallsteg und schliesslich in eine verkehrsberuhigte Quartierstrasse. Entlang der Industriezone säumen hie und da Kiesflächen der Weg. Da und dort zieren bunt gefärbte Holzstämme den Uferweg. Zugänge zum Wasser gibt es keine: Mal ist die Uferböschung zu verbaut, mal die Ufervegetation zu dicht. 

Die Bäume werden im Lauf der Zeit wachsen und grosszügig Schatten spenden. Unter dem Kronendach werden die Mauern kleiner wirken.

Chronologie

2001
Novartis startet das Projekt Novartis Campus, um ihre Areale im St. Johann-­Quartier zu einem Campus des Wissens, der Innovation und Begegnung zusammenzuschliessen.

2002
Der Regierungsrat plant, den Hafen St. Johann zu verlegen, um im äusseren St. Johann-­Quartier mehr Wohn­ und Dienstleistungsraum sowie Grün­ und Freiflächen zu schaffen.

2005
Novartis und der Kanton Basel Stadt schliessen eine Grundsatzvereinbarung ab. Diese hält unter anderem fest, welche Parzellen Novartis vom Kanton erwirbt, wie hoch der Verkaufspreis ist, wer für die Bodensanierung aufkommen muss und dass die Neugestaltung der Rheinuferpromenade in einem kooperativen Planungsprozess stattzufinden hat.

2006
Der Grosse Rat (Kantonsparlament) stimmt dem vom Regierungsrat vorgelegten Beschluss für die Neunutzung des Hafens St. Johann zu und gibt der Neugestaltung der Rheinuferpromenade grünes Licht.

2006–2007
In Kooperation führen Novartis und der Kanton Basel­Stadt einen zweistufigen Wettbewerb mit anschliessendem Studienwettbewerb durch. Gewinnerin ist das Projekt «Undine».

2008–2014
Der Hafenrückbau erfordert eine intensive Koordination: Der Hafen wird zurückgebaut, die Altlasten auf dem ehemaligen Hafenareal bereinigt, die Detail­ und Ausführungsplanung von «Undine» vorangetrieben und archäologische Bodengrabungen an der Fundstelle der keltischen Siedlung «Basel­Gasfabrik» durchgeführt.

2014–2016
Die Rheinuferpromenade St. Johann wird gebaut und am 25. April 2016 feierlich eröffnet. Wegen Altlastensanierungen auf französischer Seite bleibt der Rheinuferweg wochentags geschlossen.

2019
Abschluss der Altlastensanierungen in Huningue. Seit dem 29. Oktober ist der Rheinuferweg St. Johann–Huningue durchgehend geöffnet.

Nicht alle Kritiker sind zufriedengestellt

Trotz üppiger Ausführung auf Schweizer Seite kam die Rheinuferpromenade St. Johann in Basel indes nicht überall gut an. Der Tenor der Kritiker: Zu mineralisch, zu wuchtig sei sie. Ihr fehle es an Grün, und im Sommer werde sie zum Glutofen. Es sei deshalb kein Wunder, dass sich dort kaum jemand aufhalte oder im Rhein schwämme. Die Kritiker stören sich auch an den Kosten von fast 30 Millionen Franken. Dabei zeige der Blick über die Grenze nach Huningue doch: Der Uferweg wäre auch mit weniger machbar gewesen.

Die Argumente mögen zum Teil berechtigt sein. Oft wirkt Neues am Anfang etwas fremd. Meistens integriert es sich jedoch mit etwas Zeit wie selbstverständlich ins Stadtbild, das schliesslich mehrheitlich geschätzt wird. Das wachsende Grün dämpft die Hitze und wird den Aufenthalt immer angenehmer machen.

Seit Oktober 2019 ist der Uferweg uneingeschränkt begehbar. Zuvor war er wochentags wegen Altlastensanierungen entlang der «voie verte» gesperrt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Rheinufer des St. Johann-­Quartiers die letzten 100 Jahre für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war, ist der heutige Zustand wahrlich eine Verbesserung in allen Belangen. Kiesflächen und bunte Holzpfosten sorgen für Abwechslung entlang der «Voie verte».

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Kiesflächen und bunte Holzpfosten sorgen für Abwechslung entlang der «Voie verte».
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In Huningue prägt eine dichte Ufervegetation die schnurgerade «Voie verte». Der Rhein ist kaum zugänglich.

Und es geht weiter

Heute ist es möglich, von der Basler Innenstadt her knapp 3,5 Kilometer entlang des Rheins bis nach Huningue zu spazieren oder zu radeln. Doch das ist erst der Anfang. Zwanzig Gemeinden aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz wollen im Rahmen der IBA­-Projektgruppe Rheinliebe zusammenarbeiten. Sie haben sich dazu verpflichtet, die Rheinlandschaft auf rund 70 Kilometern erlebbar zu machen und eine gemeinsame Rheinidentität zu schaffen. Ein Massnahmenplan ist schon erstellt, und vereinzelt werden bereits Zeichen im Raum gesetzt. In Basel zum Beispiel lassen sich einige davon schon heute badend beim «Rhy­Schwumm» ausmachen.

Im Interview mit Monica Linder-Guarnaccia

Die Internationale Bauausstellung IBA Basel ist keine Ausstellung im herkömmlichen Sinn, sondern ein Prozess der trinationalen Stadt- und Raumentwicklung der Jahre 2010–2020. Der Rheinuferweg ist eines von über dreissig IBA-Projekten. Ende Jahr läuft die IBA Basel aus. Wir ziehen heute schon Bilanz.

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Monica Linder-Guarnaccia hat Anfang 2014 die Geschäftsführung der IBA Basel übernommen. Die Kommunikations­ und Sozialwissenschaftlerin brachte ihre Erfahrungen aus dem Management in der Privatwirtschaft und aus der Verwaltung mit. Als Generalistin setzt sie sich seit Jahren mit den Bereichen Architektur und Raumplanung auseinander.

Monica Linder-Guarnaccia, sind Sie mutig?

Mhm, ja, ich denke schon. Sonst hätte ich die IBA Basel wohl nie übernommen!

Sie sagten einmal in einem Interview, dass es viel einfacher sei, wenn jedes Land für sich plane; eine grenzüberschreitende Planung aber brauche Mut. Warum?

Weil man ein Risiko eingeht. Wenn jeder für sich plant, arbeitet man in einer übersichtlichen Struktur mit Terminen und Budget. Vielleicht kommt einmal etwas Unvorhergesehenes, aber das ist selbstständig lösbar. Wenn andere dazukommen, muss ich auf ihre Bedürfnisse eingehen, mich anpassen und auch fragen: Will ich dies und das so? Ziehe ich den Kürzeren? Oder die anderen? Dafür braucht es viel Vertrauen. Im Rahmen der IBA­Projekte entwickelten wir eine neue Planungskultur, die alles aufs Tapet bringt, auch was stört. Auch das braucht Mut. 

Die Metallstele macht Passantinnen und Passanten darauf aufmerksam, dass der Rheinuferweg dank der IBA zustande kam.

Die IBA Basel baut auf den trinationalen Prozess. Wie gut ist dieser gelungen?

Über alles gesehen würde ich wagen zu sagen: grossartig. Für die Beteiligten war es über weite Strecken ganz selbstverständlich, dass man zusammenarbeitet. Wir setzten uns gemeinsam mit Fragen zur Qualität auseinander, mit den länderspezifischen Herausforderungen oder der gemeinsamen Aufgabenstellung. In den Verwaltungen gilt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit heute als normal. Die Verstetigung hat sozusagen schon stattgefunden, und das ist sehr schön zu sehen. Das war ja auch das Ziel der IBA Basel.

Also hat sich diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufgrund der IBA institutionalisiert?

Auf jeden Fall. Wir sehen das auch, wenn ein Besuch aus anderen Grenzregionen Themen anspricht, mit denen wir vor fünf, sechs Jahren auch konfrontiert waren und es heute nicht mehr sind.

Welche Themen und Hürden sind das?

Insbesondere das Thema der interkulturellen Kompetenz. Bei der IBA haben alle in ihrer eigenen Sprache gesprochen. Unterschiedliche Sprachen können aber zu Hürden werden. In einem Grenzgebiet haben alle einen anderen Background, eine andere Geschichte. Hier die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie, dort die hierarchischeren Abläufe in Frankreich und zuweilen auch in Deutschland. Dann die unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen: In der Schweiz hat eine Projektleitung Budgetverantwortung und Entscheidungskompetenz, auch wenn das Projekt politisch nochmals abgesegnet werden muss. In Frankreich hat es andere hierarchische Stufen, die durchlaufen werden müssen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Projektfortschritt. Ist in Frankreich ein Projekt einmal politisch abgesegnet, erfolgt umgehend die Umsetzung. In der Schweiz mit der Möglichkeit eines Referendums ist das anders.

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Der Metropolitanraum Basel im Dreiländereck.
Quelle: IBA Basel, angepasst von EspaceSuisse

Wie geht man mit derart unterschiedlichen planerischen und politischen Strukturen um?

Mit der IBA versuchten wir, die Bevölkerung möglichst früh miteinzubeziehen. Wir haben beispielsweise an unterschiedlichen Bahnhöfen und online gross angelegte Umfragen zur Verkehrsnutzung und den Bedürfnissen der Pendlerinnen und Pendler durchgeführt. Oder Passanten zu einer koordinierten Quartiersentwicklung befragt. Alle drei Länder haben andere Vorgehensweisen und Verpflichtungen betreffend Mitwirkung der Bevölkerung. Die IBA konnte sich frei von diesen administrativen Vorgehen bewegen und die Menschen dort abholen, wo sie sich gerade aufgehalten haben.

Die herkömmlichen Planungsinstrumente reichen also, aber man muss sie vielleicht breiter anwenden?

Grundsätzlich schon, es kommt vielmehr darauf an, wie man sie anwendet. Wenn man ein Thema grenzüberschreitend anpackt, braucht es zudem etwa dreissig Prozent mehr Ressourcen und Zeit. Aber der Mehrwert ist unbestritten.

Die Internationale Bauausstellung (IBA) ist in Deutschland seit über 100 Jahren ein erfolgreiches Instrument der Raum­ und Stadtentwicklung. Bekannte Beispiele sind die IBA Hamburg oder Emscher Park im Ruhrgebiet. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Prozess, nicht das Bauen.

Die IBA Basel ist ein auf zehn Jahre ausgelegter Veränderungsprozess in der Metropolitanregion Basel und eine Schweizer Premiere. Im Fokus steht die internationale Zusammenarbeit. Ziel ist unter anderem, das Wachstum und das Zusammenwachsen der Stadtregionen langfristig zu gestalten.

Nach einem öffentlichen Aufruf wurden 2010 über 100 Projekte zur Stadtentwicklung und zu den Landschaftsräumen in der Region Basel, Elsass und Südbaden eingereicht. Das Motto: «Gemeinsam über Grenzen wachsen». Heute sind 32 Projekte am Laufen, eines davon ist der Rheinuferweg. Kriterien für die Auswahl der IBA­-Projekte sind unter anderem der Modellcharakter, die Gestaltungsqualität und die grenzüberschreitende Dimension.

Präsident der IBA Basel ist Hans­-Peter Wessels, Regierungsrat und Vorsteher des Bau­ und Verkehrsdepartements des Kantons Basel-­Stadt. Die Geschäftsstelle verfügt über elf Vollzeitstellen. Die Schlusspräsentation musste wegen der Covid­-19­-Pandemie verschoben werden. Neu findet die IBA BASEL EXPO vom 30.4. bis 6.6.2021 in Weil am Rhein (D) statt.

Mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hatte die IBA Basel auch den Anspruch, Grenzen zu überwinden, Brücken zu schlagen. Ist dies gelungen?

Ich glaube, wir sind auf gutem Weg, aber noch lange nicht angekommen. Unser Anspruch war, in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu testen, wie die Effizienz und Effektivität gesteigert werden können. Ein Beispiel: In der Schweiz findet ein Wettbewerb für ein Projekt statt, das sich auf den ganzen Metropolitanraum auswirkt. Bei der IBA luden wir die Gemeinden oder Länder ennet der Grenze in die Projektjury ein. Das haben alle Teilnehmenden sehr geschätzt. Die Qualität steigt automatisch dank der unterschiedlichen Sichtweisen und durch die Diskussion. Bei der IBA Basel pflegen wir auch die Interdisziplinarität. Wenn neben der Raumplanung und Architektur auch die Sozialwissenschaft an einem Projekt beteiligt ist, erfährt das Projekt durch die weiteren Aspekte eine Aufwertung.
 

«Mit der IBA entwickelten wir eine neue Planungskultur»
Monica Linder-Guarnaccia, Geschäftsführerin IBA Basel

Empfehlen Sie diese breite Beteiligung auch anderen Regionen, die sich vielleicht nicht in einem internationalen Umfeld befinden, aber überregional zusammenarbeiten wollen?

Unbedingt. Beim IBA-­Projekt Birspark Landschaft zum Beispiel sind nur Schweizer Gemeinden beteiligt. Sie müssen sich zwar alle ans gleiche Raumplanungsgesetz halten, aber eine Gemeindegrenze ist auch eine Grenze. Und auch dort gibt es verschiedene Bedürfnisse. Kriterium Nummer eins ist immer: Was ist der Mehrwert für meinen Nachbarn? Das scheint einfach, aber in der Umsetzung ist es schwieriger, als man denkt. Ich muss die Rolle des Nachbarn einnehmen, ihm zuhören und ihn verstehen und dabei die eigenen Bedürfnisse nicht ausser Acht lassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine sprachlich-­kulturelle Grenze oder eine Gemeindegrenze handelt. Man muss sich so oder so von der eigenen Position lösen und den Mut haben zu sagen: Gut, ich versuche, das Projekt so zu entwickeln, dass es auch für meinen Nachbarn gut ist. Je mehr Bedürfnisse man abdeckt, desto anspruchsvoller – aber zielgerichteter – wird die Umsetzung.

Das Projekt Rheinuferweg war eines der ersten IBA-Projekte. Wofür steht es besonders?

Der Rheinuferweg ist eine Perle in einer ganzen Kette. Ursprünglich war es kein IBA-­Projekt, die Idee war schon früher entstanden. Zu einem IBA-­Projekt wurde es erst, als man nicht nur das Schweizer Areal anschaute, sondern die französische Nachbarstadt Huningue miteinbezog. Zudem ist der Rheinuferweg Teil des IBA-­Grossprojekts Rheinliebe, bei dem Vertreterinnen und Vertreter von nicht weniger als zwanzig Gemeinden an einem Tisch gemeinsam über die Aufwertung der Rheinufer diskutiert haben.

Die IBA Basel und ihre Handlungsfelder. Quelle: IBA Basel

Neben diesem Vorzeigeprojekt gibt es auch andere Projekte, bei denen es harzte. Vor allem in den Anfangsjahren kamen einige Projekte nicht voran. Woran lag’s?

Da ich nicht von Anfang an dabei war, kann ich nicht vollumfänglich antworten, es gibt sicherlich verschiedene Gründe. Eine Schwierigkeit vermute ich bei der Finanzierung der Projekte. Hinzu kommt, dass das Instrument IBA in der Schweiz und in Frankreich völlig unbekannt war. Man kannte die IBA höchstens von den Architekturbauten in Deutschland wie der Siedlung Weissenhof. Die Fachöffentlichkeit erwartete Architekturbauten, weil viele die IBA als Bauausstellung verstanden. Die IBA Basel aber war als Planungsinstrument für die internationale Entwicklung des Metropolitanraums ins Leben gerufen worden. Das wurde lange missverstanden. Die IBA Basel ist eine IBA mit neuer Thematik. Im Grenzgebiet Luxemburg–Frankreich ist man nun daran, eine IBA nach dem Vorbild der IBA Basel vorzubereiten.

Das ist ein grosser Erfolg. Hier in der Schweiz wurde immer wieder kritisiert, dass die IBA Basel in breiten Kreisen total unbekannt sei.

Ja, das hat jede IBA erlebt, auch die bekannte IBA Hamburg, bis zur Schlusspräsentation. Alle IBA haben an dieser Kritik gelitten, weil sich eine IBA mit Prozessen auseinandersetzt, und dies beinhaltet nicht immer die breite Öffentlichkeit. Der Vorwurf, die IBA Basel sei nicht sichtbar, ist korrekt. Das Ziel der IBA aber war vor allem, die Planungskultur in der Region zu ändern. Das wird nicht so schnell sichtbar.

Interview: Monika Zumbrunn,
Leiterin Kommunikation EspaceSuisse

Inforaum 3/2020: z.B. Basel BS

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