
Ausganslage
In einer Stadt ist die Angebotsvielfalt gross. Egal ob Bioprodukte, trendige Lokale für ein Feierabendbier oder aber moderne Sitzungszimmer für Meetings: Alles findet sich auf kleinem Raum. In ländlichen Gebieten ist das meistens anders. Gastbetriebe schliessen, Dorfläden machen dicht. Damit verschlechtert sich die Versorgungssituation und die Ortskerne entleeren sich. Auch die 600-Seelen-Gemeinde Montfaucon kennt dieses Problem.
Mitten im historischen Ortskern von Montfaucon zeugte bis 2007 ein über längere Zeit ungenutzter Hof von den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen peripherer ländlicher Gemeinden. Doch aus dem leerstehenden Gebäude hat die Hotelfachfrau Lina Dubied eine Art Hoffnungsträger für die Gemeinde geworden: Zunächst als Bio- und Spezialitätenladen mit Kaffeeecke, seit 2016 als Biorestaurant gibt die Besitzerin mit ihrem kleinen Betrieb der unerfreulichen Entwicklung Gegensteuer.
Kennziffern
- Einwohnerzahl Montfaucon: 623 (2018)
- Arealgrösse: ca. 2’100 m2
- Investitionskosten: ca. 1,0 Millionen CHF
- ÖV-Güteklasse: kaum erschlossen
- Gemeindetyp BFS: Ländliche periphere Gemeinde
Bewertung
Lage
Als periphere ländliche Gemeinde liegt das jurassische Montfaucon etwas abgeschieden auf halbem Weg zwischen La Chaux-de-Fonds und Delémont an einer Kantonsstrasse. Gut dreissig Minuten dauert die Fahrt mit dem Auto von beiden Orten aus. Die Erschliessung mit dem ÖV erfolgt per Postauto – 13 Mal am Tag und primär zu den Hauptverkehrszeiten. Knapp einen Kilometer ausserhalb des Ortskerns hält die Linie der chemins de fer du Jura in Pré-Petit Jean in unregelmässigen Intervallen.
Ein Volg, eine Bäckerei und eine Metzgerei bieten das Wichtigste für den täglichen Bedarf. «Aux Couleurs du Terroir» ist die letzte Gaststätte im Ort. Medizinische Einrichtungen, Schulen, oder Angebote zur Betreuung von Kindern finden sich im 5 Kilometer entfernten Saignelégier

Quelle: Bundesamt für Landestopografie swisstopo
Gemeinde
Die Gemeinde besitzt keine spezielle Strategie der Innenentwicklung, verfolgt keine aktive Bodenpolitik und unterstütze das bewertete Projekt nicht in besonderem Masse. Allerdings legt sie in der Bau- und Nutzungsordnung erwähnenswerte Rahmenbedingungen für den Ortsbildschutz fest: Die Kernzone kennzeichnet einen besonders schützenswerten Sektor. Obwohl das Dorf nicht im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) verzeichnet ist, gilt für diesen Sektor gemäss Bauordnung der Gemeinde das Erhaltungsziel A des ISOS. Konkret bedeutet dies: Alle Bauten, Anlageteile und Freiräume sind integral zu erhalten.
Eigentum
Die Parzelle, auf welcher der alte Hof steht, war schon länger Privateigentum derselben Familie. Lina Dubied, die heutige Eigentümerin, erkannte in der leerstehenden Liegenschaft eine Chance, selbständig zu werden. 2007 erwarb sie die Parzelle inklusive Hof von ihren Urgrosseltern und nahm die bauliche Entwicklung fortan selbst in die Hand. Nach dem Handwechsel dauerte es etwa ein Jahrzehnt, bis die Finanzierung für den Umbau vom Hof zum Restaurant gesichert war. werden. Anschliessend konnten die Umbauarbeiten in einem Zug erfolgen.
Prozess
Die Eigentümerin war von Beginn an die treibende Kraft hinter dem Projekt. Sie erwarb die Liegenschaft und eröffnete zunächst einen kleinen Bioladen mit Kaffee-Ecke: «Aux Couleurs du Terroir». Sie war es auch, die im Lädeli einen heimeligen Charme schaffte. Auch das Biorestaurant war ein lang gehegter Traum der Hotelfachfrau, den sie mit dem Umbau des Hofs zu grossen Teilen selbstständig in die Tat umsetzte. Dabei befolgte sie den üblichen Planungsweg, indem sie eigene Pläne zeichnete, diese von einem Architekten professionalisieren liess und schliesslich 2015 ein Baugesuch einreichte.
Der Standort des Hofs in der Kernzone erforderte eine Beurteilung der kantonalen Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (CPS), die dem Baugesuch einen positiven Vorentscheid gab. Der Kanton erteilte – wie im Jura für Gemeinden unter 5‘000 Einwohner üblich – die Baubewilligung.
Foto. I. Plana, Schweizer Berghilfe
Qualität
Damit das heutige Restaurant von der bestehenden Bausubstanz des alten Hofs profitieren konnte, wurde beim Umbau möglichst viel davon erhalten. Besonders die hölzerne Schalung des historischen Dachstocks trägt nun viel zur Atmosphäre des Lokals bei. Und das Restaurant selbst leistet einen Beitrag zum Erhalt der Baukultur im Dorfkern, indem es sich sorgfältig ins Ortsbild eingefügt hat. Der nach biologischen Grundsätzen bewirtschaftete Garten unterstützt die Biodiversität, während Laden, Kaffee-Ecke, Restaurant und der neu zumietbare Konferenzsaal Austausch und Begegnungen fördern.
Foto: I. Plana, Schweizer Berghilfe
Akzeptanz
Sowohl das Lädeli im Jahr 2007 als auch das Biorestaurant stiessen nach ihrer Eröffnung auf grossen Anklang im Dorf und in der Region. Zunächst überzeugten das regionale Angebot im Laden und die Möglichkeit, ungezwungen einen Kaffee trinken zu können. Später kam auch das stimmungsvolle Restaurant mit seiner hochwertigen biologischen Küche gut an.
Zu einer kurzen Phase fehlender Akzeptanz kam es allerdings vor dem Umbau: Die Sektion Jura des Schweizer Heimatschutzes hatte während der öffentlichen Auflage des Baugesuchs Einsprache erhoben. Sie hatte festgestellt, dass der Hof im schützenswerten Sektor der Kernzone lag und gefordert, dass die zusätzliche Dachisolation im Inneren des Gebäudes zu montieren sei. Diese war im bewilligten Baugesuch ausserhalb des Gebäudes vorgesehen. Dadurch wäre aber die hölzerne Schalung im historischen Dachstock unter der Isolation verschwunden – und mit ihr die ganze Atmosphäre des Restaurants. Ausnahmsweise kam eine Delegation der CPS zu einem Augenschein und unterstütze die Eigentümerin dabei, den Heimatschutz vom Wert der Holzschalung zu überzeugen. Er zog seine Einsprache schliesslich zurück.
Dichte
Das Projekt leistet nur einen kleinen Beitrag an die bauliche Verdichtung in Montfaucon. Allerdings erhöht es die funktionale Dichte auf der Parzelle, verbessert die Versorgungssituation im Dorf und erweitert die Palette an Dienstleistungen im Ortskern. Zudem schafft das «Aux Couleurs du Terroir» Raum für Begegnungen: Als etablierter Treffpunkt des Dorfes leistet es einen Beitrag zur sozialen Dichte.
Wirtschaftlichkeit
Ursprünglich angedacht war, dass der Gewinn von Spezialitätenladen und Kaffee-Ecke ausreichen würden, um den Restaurantumbau zu finanzieren. Doch diese Rechnung ging nicht auf.
Auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten stiess die gut vernetzte Eigentümerin auf die Schweizer Berghilfe. Diese unterstützt marktwirtschaftliche Projekte im Berggebiet – vorausgesetzt, alle anderen Möglichkeiten wurden bereits ausgeschöpft. Die Berghilfe beurteilte das eingereichte Gesuch positiv und übernahm den fehlenden Betrag für den Umbau des Hofs zum Restaurant. Ein entscheidendes Kriterium für die Unterstützung war die belebende Wirkung des Projektes auf das Dorfleben von Montfaucon sowie die starke regionale Einbettung.
Der sorgfältige Umbau des Hofs zu einem Restaurant erfolgte in weniger als einem Jahr und kostete rund eine Million Franken. Trotz seiner diversen Angebote bleibt der Betrieb des «Aux Couleurs du Terroir» für die Eigentümerin eine finanzielle Herausforderung.
Zusammenfassung
Seit 2018 ist das «Aux Couleurs du Terroir» die letzte Gaststätte im Dorfkern von Montfaucon. Und einer der wenigen Treffpunkte für die Bevölkerung. Seine verschiedenen Geschäftsbereiche, der sorgfältig ausgeführte Umbau und die herausfordernden ökonomischen Bedingungen im jurassischen Berggebiet – sie erfordern viel Engagement, was nicht selbstverständlich ist. Derartige Projekte sind ein Glücksfall für jede Gemeinde, denen sie in den Schoss fallen und die davon profitieren dürfen. In Montfaucon deckt der integrierte Laden zusammen mit einem Volg, einer Metzgerei und einer Bäckerei die Grundversorgung des Dorfes ab – ein doch stattliches Angebot für eine Gemeinde von 600 Einwohnern.
Besondere Stärken aus Sicht von EspaceSuisse
- Der Umbau des Hofs erfolgte mit grosser Sorgfalt und zeugt von Verständnis für die historische Bausubstanz.
- Sowohl der Laden mit Kaffee-Ecke, wie auch das später erstellte Restaurant hatten einen belebende Wirkung auf den Ortskern.
- Die Eigentümerin trägt mit hochwertigen Produkten zur Versorgung des Dorfes bei und
Weiterführende Informationen
- 2017. Projektdokumente Schweizer Berghilfe
Über die Schweizer Berghilfe
Das Gewerbe sorgt für belebte Bergdörfer. Deshalb unterstützt die Schweizer Berghilfe Kleinunternehmen in Dorfkernen. Die ausschliesslich durch Spenden finanzierte Stiftung hat zum Ziel, die Existenzgrundlagen und die Lebensbedingungen im Schweizer Berggebiet zu verbessern.
Stand der Bewertung durch EspaceSuisse: August 2020