Von der Autobahn zum Bahnhof – dank Landabtausch

Das Aargauer Städtchen Aarburg treibt die Innenentwicklung im Umfeld des Bahnhofs voran. Angesichts der hervorragenden Erschliessungslage ist dies planerisch optimal. Als wahrer Glücksfall für die Gemeinde entpuppt sich zudem die Franke AG. Die internationale Firma, die schon fast 100 Jahre in Aarburg ansässig ist, engagiert sich vor Ort. Die Gemeinde verlässt sich aber nicht auf das Glück allein und hilft mit einer aktiven Planung und einem eigens durch sie eingefädelten Landabtausch nach.
Florian Inneman, Geograf und Raumplaner EspaceSuisse; Marco Maurer, Raumplaner EspaceSuisse bis Ende Juni 2023

Eine internationale Firma, die SBB und ein umtriebiger Stadtrat: Dies sind die Hauptakteure dieser Geschichte, die vor etwas mehr als zehn Jahren mit dem Ausbau der Autobahn A2 beginnt. Als ökologischer Ausgleich für den Ausbau auf sechs Spuren wurde die Wigger, südlich des Siedlungsgebiets von Aarburg, renaturiert. Das erforderliche Stück Land an der Autobahn gehörte der Firma Franke. Man könnte mit der Erzählung auch schon früher beginnen, nämlich bei der 2007 fertiggestellten Ortskernumfahrung – dazu aber später mehr. 

Landabtausch: Die Gemeinde knüpft die Kontakte

Die Gemeinde konnte zwar selbst kein Land einbringen, wusste aber, dass der Kanton ein Stück Land besass, das unmittelbar nördlich an die Arbeitszone von Franke angrenzt. Sie fädelte ein, dass die beiden Parteien am Verhandlungstisch Platz nahmen. Die Zutaten für eine Win-win-Situation waren servierbereit: Der Kanton erhielt das nötige Land für die Renaturierung, die Franke AG angrenzendes Land an ihrem bestehenden Standort und somit an zentraler Lage nördlich des Bahnhofs Aarburg-Oftringen – ideal, um darauf Wohnungen zu bauen.
Die rund sieben Hektaren mussten allerdings noch eingezont werden. Die Gemeinde unterstellte das Grundstück in diesem Zuge zudem der Gestaltungsplanpflicht. Dies geschah 2011, also noch vor Inkrafttreten des revidierten Raumplanungsgesetzes (RPG 1). Zusätzlich erhielt die Gemeinde eine «Restparzelle», genannt Rondelle, im Zusammenhang mit der Ortskernumfahrung vom Kanton geschenkt.  

Bahnhofsnaher Wohnraum

Der Landabtausch ebnete den Weg für die Entwicklung des Wohnprojekts Gishalde-Steinbille. Die Artemis Immobilien AG – eine Tochterfirma der Franke AG – wollte an diesem Standort Wohnungen unter anderen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter realisieren. Die Qualität der Arealentwicklung überliess man nicht dem Zufall: Aus einem Ideen-Studienauftrag auf Einladung von fünf interdisziplinären Planungsteams kristallisierte sich ein städtebauliches Gesamtkonzept heraus, das in einen Masterplan überführt wurde. Dieser bildete den verbindlichen Rahmen für die Grundeigentümerschaft und die Gemeinde. Auf dieser Basis fand 2014 ein Architekturwettbewerb statt. Das Resultat aus Masterplan und Wettbewerbsergebnissen war Basis für den Gestaltungsplan der erste Bauetappe. Für die zweite, noch nicht realisierte Etappe wurde 2021 ein Wettbewerb durchgeführt.

Aufgrund der Nähe zum Bahnhof – rund 250 Meter sind es zu Fuss – eignet sich das Areal hervorragend für eine Entwicklung. Und vom Bahnhof Aarburg sind es lediglich vier Minuten Fahrzeit bis zum Verkehrsknotenpunkt Olten. Nur: Die Ankunftshalle Ost des Bahnhofs Aarburg war damals wenig attraktiv: Wer in Aarburg ausstieg und den östlichen Ausgang nutzte, war zunächst mit einem eher schäbig wirkenden Bahnhof konfrontiert. Und auch der Anschluss im Süden an das Ortszentrum war nicht optimal.

Artemis, Gemeinde und SBB spannten deshalb zusammen und investierten gemeinsam in die Aufwertung des Bahnhofs. Auch Gelder des Agglomerationsprogramms flossen in das Projekt. Ein Glücksfall für die Gemeinde. Neben einem freundlicheren Zugang entstand auch eine neue Veloabstellanlage. Etwas mehr als drei Millionen Franken wurden investiert, die unter den Akteuren Franke, Gemeinde, SBB und Bund aufgeteilt wurden. Die Arbeiten rund um den Bahnhof sind noch nicht abgeschlossen: Derzeit werden unter anderem die Niveaus der Perrons angepasst, so dass ein barrierefreier Zugang möglich ist.

Die östliche Ankunftshalle wurde 2022 fertiggestellt.
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Bahnhof Aarburg - die östliche Ankunftshalle wurde 2022 fertiggestellt.

Innenentwicklung rund um den Bahnhof

Nicht nur im Gebiet Gishalde-Steinbille ist neuer Wohnraum entstanden: Auch südwestlich auf dem Webi-Areal Ost kann man heute wohnen. Für diese Überbauung fand ebenfalls ein qualitätssicherndes Verfahren in Form eines Projektwettbewerbs statt. Auch die erwähnte «Restparzelle» der Ortskernumfahrung wurde für eine Entwicklung genutzt. Dort entstand, in unmittelbarer Bahnhofsnähe, ein Büro-/Gewerbegebäude.

Kartengrundlage : map.geo.admin.ch

Am Anfang war die Ortskernumfahrung – und eine Strategie

Die Arbeiten rund um den Bahnhof müssen in einem Gesamtzusammenhang gesehen werden: 2007 wurde der Bau der Ortskernumfahrung abgeschlossen. Die dadurch verbesserte Ausgangslage für Aarburg wurde als Entwicklungschance erkannt. Um die weitere räumliche Entwicklung nicht dem Zufall zu überlassen, wurde gemeinsam mit einem Architekturbüro ein Masterplan mit über zehn Schwerpunkten erstellt. Das Ziel: in der Gemeinde attraktive Wohn- und Arbeitszonen schaffen.

Der Gemeinde ist es gelungen, die Dynamik am richtigen Ort «auf den Boden zu bringen». Auch dass vielfach qualitätssichernde Verfahren zum Zug kamen, ist auf ein entsprechendes Qualitätsbewusstsein der Verantwortlichen in der Gemeinde zurückzuführen. Gleichwohl ist mancherorts sichtbar, dass die eine oder andere Planung «Kind ihrer Zeit» ist. Beim Webi-Areal Ost scheint der Freiraum aus der Zeit gefallen. Der Überbauung ist anzusehen, dass sie eher von der Architektur als vom Freiraum her konzipiert wurde (vgl. hierzu als Kontrast das Projekt Widmi in Lenzburg AG). Das Wettbewerbsprogramm für das Webi-Areal Ost datiert auf das Jahr 2010 – Freiraumqualitäten waren zwar schon damals wichtig, sind aber zugegebenermassen heute viel stärker im öffentlichen (und fachlichen) Bewusstsein verankert. Und auch wenn die Aufenthaltsqualität beim Areal Gishalde-Steinbille grundsätzlich stimmig ist – der Asphaltanteil des Freiraums könnte geringer sein.

Für Gemeinden gilt, dass sie die Qualitätsansprüche konsequent einfordern sollten – vom qualitätssichernden Verfahren über die Sondernutzungsplanung bis zum Baugesuch und auch darüber hinaus im Vollzug der Vorschriften.

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Der Wettbewerb zum Webi-Areal-Ost wurde 2010 durchgeführt - vermutlich würde man heute den Aussenraum anders gestalten. Foto: F. Inneman, EspaceSuisse.

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