«Wer macht eigentlich Siedlungslandschaft?»

So lautete die Ausgangsfrage des Forschungsprojekts «Prozess Städtebau», ein Teilprojekt des Nationalen Forschungsprogramms NFP 65. Die Untersuchungen in neun Schweizer Gemeinden machen deutlich, dass es nicht einzelne Akteurinnen und Akteure sind – etwa Planer, Politiker, Architekten oder die Wirtschaft. Vielmehr ist Entwicklung ein komplexes Zusammenspiel von Umständen und Menschen: von ökonomischen und anderen Vorgaben, Bauvorschriften und Gewohnheiten, politischen Konstellationen und administrativen Strukturen, Zufällen und Gelegenheiten, von Stakeholdern und der Bevölkerung.

Mobilität, Wachstum und Verdichtung, Digitalisierung, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel – alle diese Faktoren prägen auch die Siedlungslandschaft der Schweiz. Althergebrachte Definitionen von Stadt und Land, gängige Bebauungsmuster und Trennungen von Nutzungen funktionieren nicht mehr: In den Dörfern wird das Leben städtischer, in der Stadt entwickelt man Quartiere mit dörflicher Identität; Agglomerationen werden zu eigenständigen Zentren, Industriegebiete zu Wohnorten, Freizeit, Arbeit und Wohnen vermischen sich zunehmend.

Wetzikon Projekt NFP
Caption
Wetzikon ZH – neue Überbauungen: Die Bevölkerungszahl der Gemeinde ist seit den 1950er Jahren von 8'000 auf 25'000 gestiegen. (Foto: Andrina Keller)
St. Margrethen, Strassenbau
Caption
St. Margrethen SG – Autobahnbaustelle: Der Verkehr soll vom Ortszentrum auf die nördliche Erschliessungsachse gelenkt werden. (Foto: Andrina Keller)

Qualität – ein Prozess, der sich laufend neu erfindet

Das Forschungsprojekt ist der Frage nachgegangen, wie in dieser vielschichtigen Entwicklungsdynamik Qualität geschaffen werden kann – und wie diese sich definiert. Ausgangspunkt für die Recherchen waren jeweils prägende Kapitel in der Entwicklung der Gemeinden, wie zum Beispiel die Abwanderung von lokalen Industrieunternehmen oder der Bau eines Autobahnanschlusses. Die Untersuchungen veranschaulichen die Vielschichtigkeit und von Entwicklungsprozessen und das Fehlen von Linearität. Sie kommen zum Schluss: Es gibt keine Fertigrezepte in der Raumplanung und Qualität entsteht in einem kollektiven, dynamischen Prozess, der sich laufend neu erfindet, dabei aber aktiv gestaltet werden kann.

Die Werkzeuge und Treiber in diesem Prozess sind einerseits planerische Instrumente und professionelles Know-how, vor allem aber die Menschen. Der Kitt, der im Prozess Identität und Gemeinschaft schafft, ist die Kommunikation.

Vom Forschungsprojekt zur Praxis

«Prozess Städtebau» ist ein interdisziplinäres Gemeinschaftswerk, das in einem kollektiven Prozess weitergesponnen worden ist: Aus dem Forschungsprojekt der Universitäten Freiburg und Zürich sowie der ETH Zürich sind drei Dissertationen hervorgegangen. Mit dem Leitfaden und der Plattform für Gemeinden, die auf densipedia.ch integriert wurden, hat die Forschung den Weg in die Praxis gefunden.