Typen und Wirkungen

Die Erscheinungsformen und Wirkungen von temporären Nutzungen sind extrem vielfältig. Die «Spielarten» unterscheiden sich in zeitlicher, räumlicher und nutzungsbezogener Hinsicht. Nicht jede temporäre Nutzung sollte als Zwischennutzung bezeichnet werden. Damit temporäre Nutzungen echte Zwischennutzungen sind und einen Beitrag zur Innenentwicklung leisten, müssen sie für die Öffentlichkeit zugänglich sein und ein Gebiet beleben.

Temporäre Nutzungen sind zum Beispiel:

  • ein Barbetrieb auf einem ehemaligen Eisenbahngelände,
  • ein Kunstprojekt vor dem Abbruch einer Liegenschaft,
  • ein trendiges PopupRestaurant,
  • ein Gefüge von Ateliers, Büros, Veranstaltungslokalen in einer alten Fabrikhalle oder
  • Freizeitnutzungen in Aussenräumen.

Solche Nutzungen finden in unterschiedlichsten Räumen statt. Sie können wenige Wochen oder mehrere Jahre dauern. Das Forschungsprojekt zone*imaginaire hat gezeigt, dass in grösseren Schweizer Industriebrachen die Phase der temporären Nutzungen im Schnitt 13 Jahre – und somit meist länger als ursprünglich angenommen – dauert.

Zwei Grundtypen

Weder der beanspruchte Raum noch die Dauer oder die Art der Nutzung allein sagen etwas über die Bedeutung temporärer Nutzungen für das Gemeinwesen aus. Besser ist es, sie anhand des Grads der Öffentlichkeit in zwei Grundtypen zu unterscheiden: Das introvertierte Provisorium und die extrovertierte Zwischennutzung. Eigenschaften und Wirkungen dieser Grundtypen sind nachfolgend dargestellt. Die Aussagen gelten gleichermassen für Nutzungen in Gebäuden wie  in Aussenräumen.

Das Bistro Neubad in Luzern hat sich zu einem beliebten Treffpunkt entwicklt. Foto: mign

Eigenschaften

Temporäre Nutzungen von Räumen und Flächen können geplant oder zufällig die nachstehenden Eigenschaften innehaben, mit jeweils mehr oder weniger Ausprägung auf die linke oder die rechte Seite der Gegensatzpaare. Für jede temporäre Nutzung lässt sich also ein individuelles und differenziertes Profil darstellen.

introvertiert > Provisorium

vermietungsorientiert
Steuerung extern
Partikulärinteressen
Delegation
individuumsorientiert
bestandesorientiert
indifferent/gleichgültig
Erhalt des Status Quo
Bewirtschaftung
Raumbedürfnisse
eher kurzfristig
verwalten
Administration
top down

extrovertiert > Zwischennutzung

programmatisch
Steuerung intern
öffentliche Interessen
Selbstverantwortung
gemeinschaftsorientiert
innovationsorientiert
identitätsstiftend
Nutzungsentwicklung
Bespielung
Entwicklungsbedürfnisse
eher langfristig
gestalten
Selbstorganisation
bottom up

Ehemaliges Fabrikareal wird zum temporären Verkehrsgarten. Foto: M. Bürgin

Wirkungen und Vorteile

Die Wirkungen oder Vorteile von temporären Nutzungen können aus dem Nutzungsprofil abgeleitet werden: Je stärker die Merkmale einer temporären Nutzung in ihrer Ausprägung in Richtung introvertiertes Provisorium tendieren (linke Seite), umso mehr werden sie nur als Basisnutzen wahrgenommen. Je stärker die Eigenschaften in Richtung einer extrovertierten Zwischennutzung tendieren (rechte Seite), desto eher lösen sie einen Zusatznutzen aus.

Basisnutzen

  • Ertragsverbesserung gegenüber Leerstand (je nach Vertrag)
  • Mehr Mittel für Planung
  • Sicherung des Bestandes durch Pflege
  • Vorbeugen gegen Vandalismus und Littering
  • Sicherung/Ersatz von Arbeitsplätzen
  • Befriedigung lokaler Raumbedürfnisse

Zusatznutzen

Für Standort:

  • Aufwertung
  • Adressbildung
  • Imageverbesserung
  • Neue Vermarktungsargumente
  • Höhere Grundstückspreise
  • Wegbereitung für Umnutzungen
  • Reduktion des Handlungsdrucks

Für Stadt/Kommune/Quartier:

  • Nachhaltige Alternative zum Bauen auf der grünen Wiese
  • Schaffung von Öffentlichkeit und Identität
  • Bessere Lebensqualität im Umfeld
  • Vernetzung mit Nachbarquartieren
  • Belebung

Für Ökonomie:

  • Nährboden für Start-ups
  • Stabilisierung und Unterstützung der lokalen Ökonomie
  • Chance für Solidarökonomie

Für die Kultur:

  • Nischen für kulturelle Entfaltung
  • Stätten für Produktion und Darbietung
  • Potenzial für neue kulturelle Trends

Gesellschaft:

  • Chancen für Experimente und Innovation
  • Förderung der Selbstorganisation
  • Stärkung des Sozialkapitals
  • Raumproduktion statt Raumkonsum
  • Netzwerkbildung
  • Demokratisierung der lokalen Entwicklung
  • Mitwirkung statt Partizipation
  • Erhalt soziale Artenvielfalt

Details zu Basis- und Zusatznutzen finden Sie im Leitfaden Zwischennutzung.

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Im früheren Garderobenbereich des ehemaligen Hallenbads Biregg werden Atelierplätze temporär vermietet. Foto: Mik Matter
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Neubad Luzern: Dinieren im ehemaligen Schwimmbecken. Foto: mign