Die Bauten im Berner Quartier Holligen gelten als überaltert. Dafür bieten sie günstigen Wohnraum, von dem zahlreiche Studierende, Ausländerinnen und Ausländer und Familien mit kleinen Budgets profitieren. Doch die Zeichen stehen auf Umbruch: Die Stadt Bern, Grundeigentümerin des nahe gelegenen Warmbächli-Areals, liess die dort befindliche ungenutzte Kehrichtverbrennungsanlage zurückbauen. Das brachte die Verdichtung ins Rollen.

Verzögerung führt zur Vereinsgründung
Zunächst liess die Stadt das Areal von Altlasten befreien. Sie beabsichtigte, die Parzelle sechs Genossenschaften im Baurecht zu überlassen. Dann blockierten erhebliche Verzögerungen den Planungsprozess. Um die ungenutzte Brache zwischenzeitlich zu aktivieren, erteilte die Stadt der Quartierarbeit der Vereinigung Berner Gemeinwesenarbeit den Auftrag, für diese «Wunde im Quartier» eine gemeinnützige Zwischennutzung in die Wege zu leiten. Nach mehreren Workshops mit interessierten Personen wurde ein Trägerverein ins Leben gerufen. Der Verein Warmbächlibrache schloss 2015 mit der eigens gegründeten verwaltungsinternen Steuerungsgruppe einen Gebrauchsleihvertrag über das Areal ab. Der Verein koordinierte die Zwischennutzungen und Anlässe auf der Brache, bis er seine Aktivitäten mit dem Ende der Brache im September 2020 einstellte. Dem Verein gehörten rund 70 Mitglieder an.
Eckdaten der Zwischennutzung Warmbächli
- Adresse: Warmbächliweg 2, 3008 Bern
- Eigentümerin: Stadt Bern
- Verwaltung: selbstverwaltet, Gebrauchsleihvertrag mit Immobilien Stadt Bern
- Lage: Quartierrandlage, ca.17 km Luftlinie vom Hauptbahnhof entfernt (Karte)
- Arealfläche: ca. 10’000 m2 (seit 2018 auf ca. 6500 m2 reduziert)
- Nutzfläche: dito
- Struktur: Freiflächen mit Containern und Fahrnisbauten
- Frühere Nutzung: Kehrichtverbrennungsanlage
- Zwischennutzungen: Kultur, Soziokultur, Gastronomie, Urban Gardening
- Dauer: 2016–2018, danach mehrmalige Verlängerung bis September 2020
- Transformation: genossenschaftliche Wohnsiedlung
- Besonderes: Übertragung des Konzeptes auf den künftigen Stadtteilpark «Vor_Park»
- Entstehung der Zwischennutzung: Initiative von Quartiergremien
Dem Trägerverein schwebte vor, unter dem Motto «Vom Quartier fürs Quartier» auf der Brache Raum für Projekte und Ideen anzubieten. Sie sollten die Lebensqualität im Quartier erhöhen und dem Warmbächliareal ein neues Gesicht geben. Dazu musste bei null begonnen werden, was Pioniergeist, viel Herzblut und ehrenamtliches Engagement erforderte. Nichts davon liess lange auf sich warten. Zahlreiche Interessierte meldeten sich, um die Möglichkeiten zu nutzen, welche die tiefe Baugrube mit ihren grossen Wasserpfützen, der Ummauerung und ihren inspirierenden Nischen bot.


Eine besondere Herausforderung stellte die unerlässliche Infrastruktur dar: Leitungen für Wasser und Strom mussten verlegt, Abwasser musste abgeführt werden. Bei allen Freiheiten waren die Anforderungen, die an die Baubewilligungen für eine Zwischennutzung gestellt wurden, ungewohnt rigide. So war die Platzierung der Container in den Baugesuchen punktgenau anzugeben, obwohl eine Abweichung aus baurechtlicher Sicht kaum relevante Konsequenzen mit sich gebracht hätte.
«Vom Quartier fürs Quartier»: die Brache blühte auf
Nach und nach entstanden eine Erholungszone, eine Fläche für Urban Gardening, eine Skaterrampe, ein Robinson-Spielplatz und die jeweils freitags geöffnete Bus-Stop-Bar. Die Ikone des Geländes war ein ausrangierter Linienbus der städtischen Verkehrsbetriebe. Er diente als beliebter gedeckter Aufenthaltsraum und als Gewächshaus für Kräuter und Gemüse.
Die Mauern, die das Areal begrenzen, wurden zu einem begehrten Ort für Graffitikünstlerinnen und ‑künstler: Sie durften legal besprayt werden. Die hochstehenden Werke fanden internationale Beachtung. Ein Rentner aus der Nachbarschaft fotografierte die Kunstwerke akribisch, was ihm einen Ehrenplatz in der Community einbrachte. Auch die städtische Jugendarbeit erkannte den Wert der Zwischennutzung für die Jugendkultur. Gemeinsam mit Jugendlichen entsorgte sie sie fortlaufend leere Spraydosen.

Die Warmbächlibrache diente neben den Aktivitäten des Vereins Warmbächli auch diversen externen Akteuren als Veranstaltungsort: Kulturanlässe, Velorennen, Spielfeste für Kinder, Zirkusse oder das Bierfestival Zapf zogen jeweils ein grosses Publikum an.
Fortsetzung erwünscht
Durch die Zwischennutzung entstand ein qualitätsvoller Ort für das Quartier und für die Stadt. Mit dem spannenden Sammelsurium an interessanten Fahrnisbauten und erholsamen Grünräumen hätte eigentlich 2018 Schluss sein sollen. Doch die Bauträgerschaft war einverstanden, die Zwischennutzung bis zum Auffahren der Baumaschinen zu verlängern – zuerst bis Ende 2019, dann bis Sommer 2020.


Auch die Behörden finden das Projekt ausserordentlich gelungen. Sie wünschten sich gar eine Weiterführung, am liebsten in der Nachbarschaft. Nur einen Steinwurf entfernt wird in den nächsten Jahren eine weitere genossenschaftliche Bebauung entstehen. Ende 2018 wurde dort der «Vor_Park» errichtet. Dieser öffentliche Park soll die Quartieridentität stärken, und zwar noch vor dem Auffahren der Bagger. Im Auftrag der Stadt Bern gestaltet, bespielt und koordiniert der Verein Warmbächli den Park.
Die Warmbächlibrache hat also Schule gemacht. Die Stadt hat das Potenzial eines offenen Freiraums zum Wohl der Quartierbevölkerung erkannt und möchte dessen Qualitäten beibehalten. In Anerkennung seiner Leistungen hat die Stadt Bern den Verein Warmbächli 2018 mit dem Berner Sozialpreis «freiwillig.engagiert» ausgezeichnet.