Eckdaten der Zwischennutzung in Suhr
- Adresse: diverse.
- Eigentümerin: Gemeinde, Kirche, Private.
- Verwaltung: diverse.
- Lage: im Gemeindegebiet verteilt, Karte
- Arealfläche: mehrere kleine Grundstücke.
- Nutzfläche: k.A.
- Struktur: diverse kleinere Gebäudetypen und Freiflächen.
- Nutzungen ehemals: Pfarrhaus, Wohnhaus, Kindergarten, Mehrzweckraum, Freiflächen.
- Zwischennutzungen: Nachbarschaftshaus, Familientreffpunkt, Gärtnern, Kinderhaus etc.
- Dauer: Pilotphase 2016-2020.
- Transformation: unbekannt.
- Besonderes: Einrichtung einer Pilotstelle Quartierentwicklung.
- Entstehung der Zwischennutzung: Ein Fachkonzept Quartierentwicklung setzt auf Zwischennutzungen, um Raumbedürfnisse zu decken.
Steigende Sozialhilfekosten als Treiber
Die Gemeinde Suhr in der Agglomeration Aarau mit einer Bevölkerung von gut 10‘000 Personen hatte in den letzten Jahren massiv steigende Sozialhilfekosten zu beklagen. Dies veranlasste die Gemeinde Suhr zu handeln. Nach externen Analysen von zwei problembehafteten Quartieren und inspiriert von den «Projets urbains» des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE liess die Gemeinde von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) ein «Fachkonzept Quartierentwicklung Suhr» (2016) erarbeiten. Darin wurden vier Handlungsfelder ermittelt: «Bildung und Soziales», «Wohnen und Freizeit», «Zusammenleben und Mitmachen» sowie «Arbeit und Wirtschaft». Den meisten Zielen der vier Handlungsfelder gemeinsam war der Bedarf nach Räumen, sowohl innen wie aussen.
2016 stimmte die Bevölkerung einem Kredit in Höhe von 750‘000 Franken für die Quartierentwicklung mit hohen 80 Prozent Ja-Stimmen zu. Das Geld sollte ein Pilotprojekt zur Quartierentwicklung für vier Jahre finanzieren. Die Gründe für die hohe Zustimmung sah der zuständige Gemeinderat in der transparenten Haltung der Gemeinde, im Beizug von externen Fachleuten und in der regelmässigen Information. Weil der Gemeinde diverse ungenutzte Gebäude und Aussenflächen bekannt waren, erarbeitete sie zusammen mit der FHNW ein Rahmenkonzept für «gemeinwohlorientierte Zwischennutzungen» (2017). Für das Jahr 2017 wurde der Schwerpunkt der Quartierarbeit auf das Thema «gemeinwohlorientierte Zwischennutzung» gelegt.
Bald war klar, dass nicht nur die untersuchten Quartiere, sondern die gesamte Gemeinde von den Zwischennutzungen profitieren sollte. Einige der Leerstände, die man nutzen wollte, waren im Eigentum der Gemeinde, andere waren in privater Hand. Bei den Objekten in privater Hand verhandelte die so genannte «Betriebsgruppe Liegenschaften» der Gemeinde mit den Eigentümern über Mietverträge, was deren Vertrauen deutlich anhob.
Die fachliche Koordination und mobile Quartierarbeit schuf die Gemeinde, anders als zunächst geplant, keine neue Stelle zur Quartierentwicklung, sondern übertrug diese Aufgaben im Mandatsverhältnis an die FHNW; die Hochschule bzw. deren Projektleitung ist jedoch eng in die Gemeindeverwaltung eingebunden.
Sechs vielfältige Treffpunkte für das Quartierleben
2018 standen sechs zwischengenutzte Objekte im Dienst der Quartierentwicklung. Zwei davon sind die beiden so genannten «Nachbarschaftshäuser»:
- ein ehemaliges Pfarrhaus mit zehn Zimmern und Garten. In diesem Haus es nebst dem Quartierbüro regelmässige Angebote wie das RepairCafé, den Tee-Treff mit Kaffee und Kuchen sowie das «Pasta e Basta» am Freitagabend, alles betreut von Freiwilligen.
- eine kleinere Liegenschaft der Gemeinde an der Bachstrasse mit Angeboten wie Sprachtreff, Lesementoren, Elternberatung und diversen Kursen.
In beiden Gebäuden können Räume für Anlässe zu günstigen Konditionen gemietet werden. Dies gilt auch für den grossen ...
- Bewegungsraum mit Teeküche und WC am Elektraweg. Der Raum eignet sich für bewegungsorientierte Aktivitäten.
- Ein altes Wohnhaus mit Aussenraum im Süden der Gemeinde bot ideale Voraussetzungen für die Arbeit mit Kindern. Dieses Haus wurde so rege genutzt, dass nach dessen Abbruch 2018 sogleich ein Container als Ersatz platziert wurde.
Dazu kommen zwei Nachbarschaftsgärten als Alternative zur Warteliste für Schrebergärten:
- ein zentral gelegener Nachbarschaftsgarten an der Tramstrasse und
- ein peripher gelegener Nachbarschaftsgarten im Frohdörfli.
Beide Gärten laden ein zum gemeinschaftlichen Gärtnern und Ernten, dienen aber auch als Treffunkt und Ort des Austauschs.
Zwischennutzungsprojekte wirken integrativ
Das Prinzip der Quartierentwicklung basiert auf den Ideen der Vernetzung, des Empowerment und der selbstbestimmten Teilhabe am gemeinschaftlichen Alltag. Nebst der koordinierenden und soziokulturell animierenden Tätigkeit der beauftragten Person trägt das freiwillige Engagement der interessierten Personen für «ihr» Lebensumfeld zum Erfolg bei.
Zu Beginn war die Nutzung der einzelnen Liegenschaften in Suhr nicht vorgegeben, die Bedürfnisse waren nicht klar artikuliert. Es zeigte sich dann aber, dass durch den Zugang zum Raum – ermöglicht durch Zwischennutzungen – das Interesse der Menschen in den Quartieren geweckt wurde und sie ihr Entfaltungspotenzial in diesen Räumen entdeckten. Die Zwischennutzungsprojekte ermöglichten ihnen, Erfahrungen mit Selbstorganisation und in Aushandlungsprozessen zu sammlen. Dies wiederum förderte das nachbarschaftliche Zusammenleben und unterstützte die Integrationsbemühungen der Gemeinde.
Laut dem zuständigen Gemeinderat hat das Pilotprojekt zur Quartierentwicklung in Verbindung mit anderen Massnahmen schon nach zwei Jahren zur Stabilisierung der Sozialhilfequote beigetragen. Im Juni 2020 wird über eine allfällige Fortsetzung entschieden.