Rathaus für Kultur

Die Verwaltung der Landgemeinde Lichtensteig im Toggenburg zog vom Rathaus in das benachbarte Bankgebäude um. Das ehemalige Rathaus blieb aber nicht leer: Die Gemeinde lässt es neu aufleben als «Rathaus für Kultur». Die Zwischennutzung dient dazu, langfristig passende Nutzungsarten zu testen. Getragen wird sie von ausgeflogenen Aktivistinnen und Aktivisten, die ihrer Heimat etwas zurückgeben wollen.

Eckdaten der Zwischennutzung im Rathaus für Kultur

  • Adresse: Hauptgasse 12, 9620 Lichtensteig.
  • Eigentum: Gemeinde Lichtensteig.
  • Verantwortung/Verwaltung: extern: Gemeinde, intern: Verein Rathaus für Kultur.
  • Lage: zentral in der Altstadt, Karte
  • Arealfläche: 330m2
  • Nutzfläche: 750m2
  • Struktur: kleine und mittelgrosse Räume.
  • Nutzung seit dem 17. Jh: Kornhaus, Pfarrhaus, Gasthaus, zuletzt Rathaus.
  • Zwischennutzungen: Kultur, Kreativwirtschaft, Gastronomie.
  • Dauer: 5 Jahre.
  • Transformation mit dem Ziel: Verstetigung der Zwischennutzung
  • Besonderes: Element der Gesamtstrategie der Gemeinde «Mini.Stadt 2025».
  • Entstehung der Zwischennutzung: auf Initiative der Gemeinde.

Zwischennutzung von langer Hand geplant

2018 verlegte die Gemeinde ihre Verwaltungsaktivitäten aus finanziellen Gründen vom Rathaus ins nahe, ehemalige Gebäude der Bank UBS, die hier 1863 ihren Ursprung hat. Das frei werdende Rathaus will die Gemeinde langfristig einer kulturell-kreativen Nutzung zuführen, auch soll eine neue Eigentümerschaft gefunden werden.

Mit einer Zwischennutzung will die Gemeinde zunächst Nutzungsideen erproben, Möglichkeiten der Bewirtschaftung und Bespielung ermitteln, und eine solide Trägerschaft aufbauen.

Lichtensteig im ländlichen Toggenburg
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Lichtensteig im Toggenburg mit seinen rund 1900 Einwohnern gehört zu den schönsten Ortschaften der Schweiz. Vor vielen Jahrhunderten erhielt die Gemeinde die Stadtrechte, weshalb sie sich noch heute «Stadt» nennt und einen Stadtpräsidenten hat.
Foto: A. Straumann, EspaceSuisse

Die Zwischennutzung des Rathauses dient nicht bloss zur Überbrückung des Leerstandes. Sie leistet auch einen Beitrag zur Umsetzung der kommunalen Strategie 2025 «Mini.Stadt 2025» sowie zur Innenentwicklung. Die im Rathaus beabsichtigten Nutzungen sollen aufs Umland ausstrahlen und zur Belebung und Aufwertung Lichtensteigs beitragen. Seit 2010 arbeitet Lichtensteig in strategischen Fragen mit dem Siedlungsberatungsteam (früher Netzwerk Altstadt genannt) von EspaceSuisse zusammen.

Lichtensteig, Gastobetrieb im Aussenraum bei Nacht
Schon vor der Eröffnung als «Rathaus für Kultur» machten diverse Aktionen auf die Zwischennutzung aufmerksam. Hier ein Gastro-Event neben der Treppe zum Rathaus. (Foto: Franziska Schneider)

Klare Ziele – passendes Vorgehen

Die Gemeinde hat klare Vorstellungen, was sie im ehemaligen Rathaus erreichen will: Entstehen soll ein kultureller Hotspot mit Ausstrahlung, ein Publikumsmagnet, in dem ambitionierte Kultur- und Kreativschaffende mit einer gemeinsamen Vision selbstorganisiert ihre Ideen vorantreiben. Nach Ablauf der Zwischennutzungsphase soll langfristig ein erfolgreicher Kultur- und Kreativbetrieb im Rathaus Lichtensteig aufgebaut werden. Das neue Angebot soll die Altstadt von Lichtensteig beleben und die Basis für die Entwicklung in der Kernzone legen.

Der neue Kulturort ergänzt andere regionale Angebote und trägt zur regionalen Weiterentwicklung im kulturellen Bereich bei.

«Das Rathaus für Kultur im Städtchen Lichtensteig ist ein Knotenpunkt des vielfältigen Kulturschaffens im Toggenburg.»
Website der Gemeinde Lichtensteig (2019)

Um einen nahtlosen Übergang zur neuen temporären Nutzung zu erreichen, engagierte die Gemeinde einen externen Experten für Zwischennutzung. Dessen Aufgabe bestand einerseits in der Begleitung der Gemeinde bei der Zielformulierung, der Abklärung der Machbarkeit und des Regulierungsbedarfs sowie beim Vertragsentwurf; andererseits coachte der Experte die designierten Akteure der Zwischennutzung im Auftrag der Gemeinde in Fragen betreffend Konzeption, Budgetierung, Fundraising, Vereinsgründung, Organisation und Kommunikation. Die Arbeitshaltung des Experten orientierte sich an der Ermöglichung und Unterstützung zwecks erfolgreicher Befähigung aller Beteiligten in einem Themenfeld, das allen noch wenig bekannt war.

Lichtensteig, Rathaus-Stube mit Gästen
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Herz und Treffpunkt der Zwischennutzung im Rathaus für Kultur ist die neue Rathaus-Stube. (Foto: Hannes Sturzenegger)
Lichtensteig, Rathaus für Kultur, Kinderraum
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Für die Kleinen gibt es in der «Dogo»-Kunstschule Raum zum Experimentieren. (Foto: Hannes Sturzenegger)

Start schon vor der Eröffnung

Seit Beginn der Idee herrschte zwischen den künftigen Zwischennutzenden und dem Stadtpräsidenten Mathias Müller ein einvernehmliches Verhältnis. Zur neuen Nutzung stehen drei Geschosse im ehemaligen Rathaus zur Verfügung. Das Konzept sieht das Artist-in-Residence-Projekt «Dogo – Residenz für Neue Kunst» vor: In- und ausländische Kunstschaffende wohnen zuoberst im Rathaus, Atelierflächen erhalten sie in einer nahen, unternutzten Turnhalle der Gemeinde, ihre Werke zeigen stellen sie im Rathaus für Kultur und im öffentlichen Raum aus. In den ersten beiden Geschossen finden sich individuell mietbare Ateliers und Proberäume, ein temporär nutzbarer Projektraum, sowie die Rathaus Stube, ein kleiner, aber feiner gastronomischer Betrieb. Diese beiden Geschosse sind öffentlich zugänglich; die Kulturschaffenden und die Bevölkerung treffen sich in einer inspirierenden Umgebung, tauschen sich aus, initiieren neue Projekte und entwickeln bestehende weiter.

Schon im Sommer 2018 traten die Akteure erstmals öffentlich auf und erfuhren eine positive Resonanz. Danach folgte ein erfolgreiches Crowdfunding. Im März 2019 startete das Rathaus für Kultur mit einem fulminanten Eröffnungsanlass in seine erste reguläre Saison (vgl. Artikel des St. Galler Tagblatts, auch zum Dogo-Konzept).

St. Galler Tagblatt (8.12.2017): Rathaus wird Kulturzentrum

Zwischennutzung
Der Begriff Zwischennutzung kam im Diskurs über Freiräume in der 68er-Bewegung auf. Später entwickelten sich Kooperationen zwischen Nutzenden und Eigentümern. Heute ist der Begriff auch in der Immobilienbranche salonfähig.
Innenentwicklung
Ohne Siedlungsqualität gelingt die Innenentwicklung nicht. Es braucht Frei- und Grünräume, wo Menschen sich treffen und erholen können.
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